Gesundheitsamt Neustadt 1933–1945

von Barbara Jahn

Wie auch die anderen staatlichen Gesundheitsämter reichsweit, wurde das Neustadter Gesundheitsamt im Zuge des „Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ vom 3. Juli 1934 geschaffen. Seinen Sitz wechselte es häufig und residierte u. a. von 1937 bis 1938 in Räumen der Neustadter Ortskrankenkasse in der Kaiserstraße 14, um dann in die Maximilianstraße 11 (am 12. Januar 1938 in „Straße des 13. Januar“, jedoch schon am 29. Juni 1938 in „Hermann-Göring-Straße“ umbenannt) zu ziehen. Ab 1942 war das Gesundheitsamt dann in einem Haus in der Moltkestraße 3 untergebracht, das sich ursprünglich in jüdischem Besitz befunden hatte. Geleitet von dem ehemaligen Bezirks- und nunmehrigen Amtsarzt Hermann Lehner, gehörte neben der Gesundheitsfürsorge insbesondere die angewandte Rassenhygiene zu den Aufgaben der Neustadter Behörde: Hierzu zählten die erbbiologischen Untersuchungen zum Erhalt von staatlichen Sozialleistungen oder einer Heiratserlaubnis ebenso wie der Aufbau einer „Erbkartei“ der Neustadter Bevölkerung. Wen das Gesundheitsamt als erbbiologisch „minderwertig“ klassifizierte, gegen den wurde dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 entsprechend ein Zwangssterilisationsverfahren eingeleitet. Ebenso wie die ihn bisweilen vertretende Hilfsärztin Dr. Vogt, zeigte sich Hermann Lehner hierbei sowohl als Antragsteller als auch Gutachter äußerst engagiert, kontrollierte den Verlauf der Verfahren akribisch und arbeitete zudem den Erbgesundheitsgerichten durch Auskünfte zu.

Quellen

Bundesarchiv Berlin R 179; Landesarchiv Speyer M2, O46; Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens. Vom 3. Juli 1934, in: Reichsgesetzblatt Teil I 71, 1934, 531–532; Pfälzischer Kurier. Pfälzer Anzeiger und Handelsblatt. Ausgabe Haardt, 1934; NSZ Rheinfront. Ausgabe Süd, 1940.

Literatur

Annemone Christians, Amtsgewalt und Volksgesundheit. Das öffentliche Gesundheitswesen im nationalsozialistischen München. Göttingen 2013. Am Beispiel Münchens als drittgrößte Stadt des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 bietet die monographische Studie insbesondere aufgrund zahlreicher Vergleiche mit anderen Städten und Gemeinden einen umfassenden Überblick über die Umsetzung der nationalsozialistischen „Erbgesundheitspolitik“ durch die kommunale Gesundheitsverwaltung.

Johannes Donhauser, Das Gesundheitsamt im Nationalsozialismus. Der Wahn vom „gesunden Volkskörper“ und seine tödlichen Folgen. Eine Dokumentation, in: Das Gesundheitswesen. Sonderheft 69, 2007, 7–127. Eigentlich fokussiert auf die Tätigkeit des Gesundheitsamts Schrobenhausen (Bayern) in der NS-Zeit, gibt die Publikation allgemein einen detaillierten Einblick in die staatliche Gesundheitsbürokratie der Jahre 1933 bis 1945 einschließlich deren wissenschaftlicher und ideologischer Wegbereiter. Insbesondere widmet sich der Autor hierbei der konkreten Arbeit der Amtsärzte und deren Handlungsspielräumen im Vollzug der nationalsozialistischen „Erb- und Rassenpflege“. Ergänzt werden die Ausführungen durch umfangreiches Dokumentenmaterial im Anhang.

Alfons Labisch/Florian Tennstedt, Der Weg zum „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ vom 3. Juli 1934. Entwicklungslinien und -momente des staatlichen und kommunalen Gesundheitswesens in Deutschland, 2 Bde. Düsseldorf 1985. Das zweibändige Werk beschäftigt sich eingehend mit den nationalsozialistischen Gesundheitsämtern und ihrer zentralen Bedeutung in der rassenhygienischen Politik insbesondere in der Anfangszeit der NS-Herrschaft.

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