1.3 „Von heute an nur noch ein nationalsozialistisches Neustadt?" – Die Etablierung der NS-Herrschaft im Jahr 1933

Am 30. Januar 1933 übertrug der Reichspräsident Paul von Hindenburg die Regierungsverantwortung in Deutschland an die NSDAP und ernannte Adolf Hitler zum Reichskanzler. Bereits seit Juli 1932 zeigten die Wahlergebnisse im Bezirk Neustadt eine stetige Mehrheit der Stimmen für die NSDAP, die hier mit Zustimmungswerten von 45 Prozent und 51 Prozent wiederholt als stärkste Partei aus den Reichstagswahlen hervorging. Der öffentliche Druck auf die Wahlen durch die NSDAP war erheblich, was auch die Ergebnisse der Märzwahlen im Jahr 1933 zeigten. Die NSDAP erlangte im Bezirk Neustadt über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen. Dies zeigte eine Zustimmung, die sich in den reichsweiten Ergebnissen so nicht widerspiegelte – hier war die NSDAP zwar stärkste Partei, erlangte jedoch mit einem Ergebnis von 43,9 Prozent keine absolute Mehrheit. Die im Februar 1933 aufgrund des „Gesetzes zum Schutz von Volke und Staat“ verbotene KPD war bereits von den Reichstagswahlen ausgeschlossen.

Die Absetzung der demokratisch gewählten Regierung Bayerns am 9. März 1933 leitete schließlich auch in Neustadt den Machtwechsel ein. Mit der Einsetzung Rudolf Hammanns in das Bürgermeisteramt durch den damaligen „Pfalzkommissar“ Josef Bürckel, der Ernennung Hieronymus Merkles zum zweiten Bürgermeister und der im April folgenden Eröffnung des neuen Stadtrates besetzte die NSDAP entscheidende Posten der Stadt Neustadt.

Im dritten Unterkapitel erfährst du, wie die Reichskanzlerernennung und die Ereignisse rund um die Märzwahlen im Jahr 1933 in der Neustadter Presse dargestellt wurden. Darüber hinaus kannst du in Erfahrung bringen, welche Bedeutung in Neustadt der Bücherverbrennung im Rahmen der „Gleichschaltung" des öffentlichen Lebens zukam.

1. Von den „Feierlichkeiten" der Reichskanzlerernennung zum Machtwechsel in Neustadt

M1: Fotomontage einer Fotografie der „Feierlichkeiten" des 30. Januar 1933 auf dem Marktplatz in Neustadt anlässlich der Reichskanzlerernennung Adolf Hitlers

Fotomontage von Katharina Kaiser

Aufgaben

  1. Bei M1 handelt es sich um die Zusammenstellung einer Fotomontage. Nur das erste Bild ist so im Original erhalten und zeigt die „Feierlichkeiten“ des 30. Januar 1933 auf dem Marktplatz in Neustadt, die Folgebilder wurden von den Autorinnen des multimedialen Schulgeschichtsbuches manipuliert.

    a) Beschreibe, wie sich die Wirkung der Bilder im Verlauf verändert.
    b) Erläutere, welche Bildelemente konkret manipuliert wurden und überlege, warum.
    c) Beurteile ausgehend von deinen Erkenntnissen, inwiefern die Inszenierung des 30. Januar 1933 auf dem Marktplatz in Neustadt die zeitgenössische Wahrnehmung der „Feierlichkeiten“ der Reichskanzlerernennung beeinflusst haben könnte.

    Tipp: Zur Bedeutung des Hakenkreuzes als Symbol im Nationalsozialismus kannst du dich auf der Website des Lebendigen Museums Online (LeMO) des Deutschen Historischen Museums näher informieren.

  2. Stelle die Darstellung der „Feierlichkeiten“ des 30. Januar in M1 den Darstellungen der Zeitungsmeldung M2 gegenüber.

M3: Schreiben an die Ortspolizei Neustadt vom 2. März 1933 zum Vollzug der „Verordnung zum Schutze von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933

Aufgabe

  1. Arbeite ausgehend von M3 und der entsprechenden Info-Box heraus, wie das „Gesetz zum Schutze von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 in Neustadt umgesetzt werden sollte.

M4: In der NSZ Rheinfront veröffentlichte Ankündigungen von Wahkampfkundgebungen der NSDAP vor den Märzwahlen 1933

M5: Zeitungsartikel zur Wahlkampftätigkeit der Bayerischen Volkspartei vor den Märzwahlen 1933 in Neustadt

Aufgaben

  1. Erläutere ausgehend von M4 die Organisation des NSDAP-Wahlkampfes in Neustadt im Frühjahr 1933.
  2. Setze dich unter Bezugnahme auf die Aussagen der Historikerin Breß (M7) mit den Zeitungsmeldungen (M5-M6) aus dem Frühjahr 1933 auseinander.
  3. Nimm kritisch Stellung zur Darstellung des Verlaufes der Märzwahlen 1933 in Neustadt im Zeitungsartikel des Stadt- und Dorfanzeigers vom 5. März (M8).

M9-M11: Zeitungsmeldungen vom März 1933

Aufgaben

  1. Beurteile die Darstellung der im Zeitungsartikel M9 geschilderten Reaktionen der Neustadter Bevölkerung auf die NS-Beflaggung des Rathauses am 7. März 1933. Beziehe hierbei deine Erkenntnisse aus Aufgabe 4 (M3) ein.
  2. Diskutiere ausgehend von den Zeitungsmeldungen M10 und M11 die Bedeutung der Beflaggung des Rathauses im März 1933 für die Festigung der NS-Herrschaft in Neustadt.
  3. Am 29. August 2020 versuchten Anhänger*innen rechtsextremer Gruppierungen im Zusammenhang von Corona-Demonstrationen den Reichstag in Berlin zu stürmen. Die Demonstrant*innen trugen dabei unter anderem auch schwarz-weiß-rote Reichsflaggen bei sich.

    a) Informiere dich zunächst zur historischen Bedeutung der schwarz-weiß-roten Reichsflagge und zu den beteiligten Gruppierungen an den Vorfällen des 29. August 2020 in Berlin.
    b) Diskutiere unter Bezugnahme auf deine in vorliegendem Unterkapitel gewonnenen Erkenntnisse die Reaktion des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der sich im August 2020 wie folgt äußerte: „Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie".

2. Die Bücherverbrennung in Neustadt als Beispiel der (frühen) „Gleichschaltung"

M12: Fotografie der Bücherverbrennung in Neustadt vom 14. Mai 1933 auf dem nur knapp zwei Wochen zuvor zum „Adolf-Hitler-Platz“ umbenannten Marktplatz

Klicke auf die blauen Punkte, um biografische Einblicke einzelner Akteure zu erhalten. Die Kurzbiografien wurden in Anlehnung an historisches Quellenmaterial entwickelt, die Namensgebung und Auswahl der auf der Fotografie abgebildeten Personen erfolgte jedoch rein zufällig.

M13: Bild der Gedenkplatte zur Bücherverbrennung in Neustadt, die auf dem Marktplatz verlegt wurde

Die Gedenkplatte auf dem Neustadter Marktplatz.

Aufschrift: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“. (Heinrich Heine, 1820). Zur Erinnerung an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 14. Mai 1933.

Aufgaben

  1. Informiere dich in der Info-Box über den Ablauf und die Teilnehmer*innen der Bücherverbrennung am 14. Mai 1933 in Neustadt.

    a) Versetze dich anschließend in die historisch angelehnte Perspektive einer auf dem Bild (M12) abgebildeten Person und verfasse einen inneren Monolog, in dem seine*ihre innere Haltung zu den Ereignissen deutlich wird.

    Tipp: Über die blauen Punkte erfährst du nähere Information zu den wählbaren Perspektiven. Gerne kannst du auch selbst eine Perspektive im historischen Kontext entwerfen oder eine Rollenbeschreibung für jene Jugendlichen entwerfen, die gar nicht bei der Bücherverbrennung waren.


    b) Präsentiert die inneren Monologe in der Gruppe. Stellt hierzu nach der Bildvorlage (M12) ein Tableau vivant5 und sprecht nacheinander.

    Tipp: Ihr könnt auch eine*n Schüler*in auswählen, der*die durch Antippen die Akteure „sprechen lässt“. Sowohl die beteiligten Darsteller*innen als auch die Beobachter*innen sollten im Anschluss die Wirkung der Rollenübernahmen reflektieren.

  2. An die durch die NSDAP initiierte Bücherverbrennung in Neustadt im Jahr 1933 erinnert heute am Marktplatz eine Gedenkplatte (M13). Anlässlich des sich 2023 zum 90. Mal jährenden Gedenkens an das Jahr 1933 möchte die Stadt Neustadt international anerkannte Lichtkünstler*innen mit der Gestaltung einer Lichtkunst-Installation zu den Geschehnissen rund um die Bücherverbrennung beauftragen. Entwirf Ideen für ein Modell, das den Künstler*innen als Vorlage dienen könnte. Begründe die von dir vorgeschlagene Gestaltung.

    Tipp: Beispiele für Lichtkunst-Installationen mit historischem und aktuellem Bezug findest du in der Box des Vertiefunsgangebots.

  3. Diskutiere die These des Historikers Kißener (M14), nach der „es neben der Gewalt wohl noch mehr als „Verführung“ war, was viele Menschen der 1920er und 1930er Jahre am Nationalsozialismus anzog."
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