1.4 Das (frühe) Konzentrationslager Neustadt im Spannungsfeld zwischen Terror und Propaganda

In der Nacht vom 9./10. März 1933 übernahm die NSDAP in Bayern und somit auch in großen Teilen der Pfalz die Regierungsgewalt. In der Folge wurden alle politischen und gesellschaftlichen Institutionen schrittweise „gleichgeschaltet". Dieses Ereignis ging einerseits mit öffentlichen Feierlichkeiten und der Zustimmung vieler Menschen einher, läutete jedoch zugleich auch die organisierte Verfolgung politischer Gegner*innen der Nationalsozialisten ein. Auch in Neustadt wurden NSDAP-Kritiker*innen in „Schutzhaft“ genommen und in dem am 10. März 1933 errichteten, (frühen) Konzentrationslager untergebracht, den Gebäuden der ehemaligen Turenne-Kaserne auf dem Weg nach Speyerdorf.

Bis Anfang April 1933 befanden sich alleine in Bayern bis zu 5 000 Personen in „Schutzhaft“, in Neustadt waren 450 Männer und eine Frau in Gewahrsam. Das (frühe) Konzentrationslager in Neustadt, eines von reichsweit etwa 100 frühen Lagern, wurde am 13. April 1933 aufgelöst und die Insassen entlassen oder in andere Lager in Bayern verbracht.

Dieses Unterkapitel soll sich der Situation der Häftlinge, dem Lageralltag und der Außendarstellung des (frühen) Konzentrationslagers in Neustadt widmen. Du erfährst so, welche Funktion (frühen) Konzentrationslagern im NS-Herrschaftssystem zukam.

1. Lageralltag und Haftbedingungen im (frühen) Konzentrationslager Neustadt

Heute befindet sich die Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt, die an das ehemalige (frühe) Konzentrationslager in Neustadt erinnern soll, in einem Gebäudeteil des Quartiers Hornbach. Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2013 stellt sie ein wichtiges Element der lokalen Erinnerungskultur dar.

Mehr Informationen über die Gedenkstätte erfährst du auch auf der Webpräsenz der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße.

M6: Die Lagerordnung des (frühen) Konzentrationslagers vom 18. März 1933

(StANW, 5624), Bestand A
Die Lagerordnung des (frühen) Konzentrationslagers vom 18. März 1933 ist im Stadtarchiv Neustadt erhalten.

Aufgaben

  1. Fasse unter Bezugnahme auf M1 zusammen, wer im (frühen) Konzentrationslager in Neustadt als "Schutzhäftling" in Haft genommen wurde.
  2. Erläutere ausgehend von M2-M6 die Darstellungen des Lageralltags im (frühen) Konzentrationslager in Neustadt.
  3. Nimm ausgehend von M2-M6 kritisch Stellung zum historischen Aussagewert der vorliegenden Quellengattungen.
  4. Diskutiere ausgehend von M1-M6 Ziele, die mit dem Terror und der Diskriminierung im (frühen) Konzentrationslager in Neustadt verfolgt wurden.

2. Das (frühe) Konzentrationslager im Spiegel der Presse des Jahres 1933

Aufgaben

  1. Arbeite aus M7-M8 die Darstellungen des Lageralltags im (frühen) Konzentrationslager in der Regionalpresse heraus.
  2. Beurteile die Pressedarstellungen in M7-M8 unter vergleichender Bezugnahme auf deine Erkenntnisse aus den Quellen M1-M6.
  3. Erörtere die Verwendung des Begriffes der "Schutzhaft" unter vergleichender Bezugnahme auf die Zeitungsartikel aus der NS-Zeit (M7-M8) und den Darstellungs- und Info-Text "Schutzhaft" des vorliegenden Unterkapitels.

    Tipp: Achte auf die Verwendung von Anführungszeichen und ihre jeweilige Aussageabsicht. Weitere Informationen zur Ausgestaltung und Funktion der nationalsozialistischen Presse erfährst du im Medienbaustein "Mit Zeitungen lernen".

M9: Ausschnitt der Inszenierung „Lieber tot, als einen Schritt davon abweichen" einer studentischen Theatergruppe der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (2020)

Ausschnitt der Inszenierung „Lieber tot, als einen Schritt davon abweichen“ einer studentischen Theatergruppe der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (2020)

Die Inszenierung wurde ausgehend von einem 1933 in der Pfälzischen Bürgerzeitung erschienenen Zeitungsartikel (M8) sowie Aussagen ehemaliger Häftlinge des (frühen) Konzentrationslagers Neustadt aus dem Jahr 1949 entwickelt. Gefilmt wurde die Inszenierung in der KZ-Gedenkstätte Osthofen. Osthofen liegt in der Nähe von Worms im heutigen Rheinland-Pfalz. In den 1930er Jahren gehörte Osthofen zum „Volksstaat Hessen“. Das dortige (frühe) Konzentrationslager bestand vom März 1933 bis zum Juli 1934.

Auf der Webpräsenz der Gedenkstätte Osthofen kannst du dich bei Interesse weitergehend informieren.

Das Drehbuch der Inszenierung kannst du dir hier herunterladen.

DOWNLOAD

Aufgaben

  1. Interpretiere ausgehend von der Theaterinszenierung (M9) deren Aussageabsicht im Hinblick auf das (frühe) Konzentrationslager in Neustadt.
  2. Vergleiche deine persönliche Wahrnehmung des Häftlingsberichts und Zeitungsartikels M5 und M8 in Textform mit ihrer Inszenierung (M9).

    Tipp: Beschreibe zunächst, welche Mittel zur szenischen Umsetzung der historischen Quellen genutzt werden und welche Wirkung dies auf dich hat. Gehe im Anschluss insbesondere auf den symbolischen Einsatz der Requisiten "Stock" und "Zeitung" ein.

  3. Nimm kritisch Stellung zum historischen Erkenntniswert der Theaterinszenierung (M9).
  4. In M10 setzt sich die Historikerin Breß mit der Frage auseinander, wie viel die Neustadter Bevölkerung über das (frühe) Konzentrationslager Neustadt wusste. Diskutiere ihre These: „Es kann […] nicht geklärt werden, wie viel die Bevölkerung über das (frühe) Konzentrationslager wusste.
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