Schutzstaffel (SS)

Siegrunen, Emblem der Schutzstaffel (SS).

von Martin Hanisch

Der Neustadter SS-Sturm wurde im Oktober 1925 als einer der ersten im Deutschen Reich gegründet. Maßgeblich verantwortlich zeichnete hierfür der spätere stellvertretende Gauleiter der NSDAP Ernst Ludwig Leyser, der zunächst die Führung des Sturmes innehatte. Dieser bestand anfangs aus lediglich zwölf Männern und wurde aufgrund mangelnden Interesses schon im März 1926 wieder aufgelöst. Nach der Reaktivierung des Sturms im August 1930 nahm seine Bedeutung jedoch zu. Seit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 spielte die SS eine wichtige Rolle als Instrument zur Herrschaftssicherung. Als Hilfspolizisten führten Neustadts SS-Männer Hausdurchsuchungen bei politischen Gegnern durch und wirkten am Aprilboykott jüdischer Geschäfte 1933 tatkräftig mit. Im (frühen) Konzentrationslager bewachten und misshandelten sie unter Aufsicht ihres Sturmführers Eugen Huber Gefangene, die dort in „Schutzhaft“ festgehalten wurden. Im Zuge der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 steckten SS-Männer zunächst die Synagoge und anschließend das Israelische Altersheim in Brand, wobei zwei Seniorinnen zu Tode kamen. Im gesellschaftlichen Alltag der Volksgemeinschaft war die SS fest verankert. So nahm sie beispielsweise mit einer eigenen Fußballmannschaft am Verbandsspielbetrieb teil. Gemäß ihres elitären Selbstverständnisses besetzten Mitglieder der SS zahlreiche einflussreiche Ämter und Positionen in Neustadt. So leitete etwa Untersturmführer Otto Renner in den Jahren 1939 bis 1945 das Amtsgerichtsgefängnis, der 1934 als Fördermitglied beigetretene Adolf Oehlert war Inhaber der Neustadter Tuchfabrik. Für einige Mitglieder wie Willy Schmelcher oder Otto Bradfisch bildete der Neustadter Sturm ein Karrieresprungbrett, um sich vor allem im Hinblick auf den Vernichtungskrieg in der Sowjetunion für höhere SS-Ämter zu empfehlen. Mit einem Durchschnittsalter von 27,9 Jahren war Neustadts SS vergleichsweise jung. Die Mehrheit der Männer war konfessionslos (etwa 39 Prozent), der Anteil der evangelischen Mitglieder betrug ca. 36 Prozent und der mit katholischer Konfessionszugehörigkeit knapp 24 Prozent. Die meisten Mitglieder waren der unteren Mittelschicht zuzuordnen (etwa 42 Prozent), wobei sich in ihren Reihen häufig Angestellte und niedere Beamte fanden. Klassische Unterschichtsberufe übten ca. 31 Prozent der Männer aus, der oberen Mittelschicht können knapp 22 Prozent zugerechnet werden.

Quellen

Amtsgericht Germersheim, Aussage Eugen Hubers in seiner Vernehmung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Germersheim, 07.03.1947, http://www.gedenkstaette-neustadt.de/wp-content/uploads/2013/08/1_Aussage_Huber-Eugen.pdf, Aufruf zuletzt am 11.07.2020.

Landesarchiv Speyer (LASp) R18 Spruchkammerakten (Entnazifizierung), hieraus alle Akten von Neustadter Personen mit SS-Hintergrund (158 Stück).

Eugen Huber, Erläuterungen zum Fragebogen seines Spruchkammerverfahrens, 20.02.1949, LASp R18 20925.

Ernst Ludwig Leyser, Mein Werdegang, LASp R18 26018.

Säuberungsspruch der Spruchkammer II Neustadt a. d. Haardt in Sachen Leyser, Ernst Ludwig, 07.09.1949, LASp R18 26018.

Literatur

Bastian Hein, Elite für Volk und Führer? Die Allgemeine SS und ihre Mitglieder 1925–1945. München 2012. Das Werk bietet einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Forschung.

Heinz Höhne, Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. München 2002. Neuauflage eines der ersten Standardwerke zum Thema, jedoch teilweise noch auf dem Stand von 1966 und somit vor allem interessant, um die Diskursentwicklung der SS-Forschung nachzuvollziehen.

Franz Maier/Martin Hanisch, Ganz normale Männer? Ein Profil der Neustadter NSDAP, SA und SS, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Beitrag enthält unter anderem Informationen zum Sozialprofil der Neustadter SS, basierend auf Angaben von 158 SS-Mitgliedern in deren Entnazifizierungsverfahren.

Miriam Breß, Das (frühe) Konzentrationslager Neustadt. „Erziehung zur Volksgemeinschaft“, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Münster 2020. Die Autorin schildert unter anderem die Rolle der SS bei der Misshandlung von Gefangenen im (frühen) Konzentrationslager Neustadt.

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