Das (frühe) Konzentrationslager Neustadt

Das Hauptgebäude der Kaserne im Herbst 2010. Foto: Eberhard Dittus.

von Miriam Breß

Das (frühe) Konzentrationslager Neustadt wurde am 10. März 1933 in einer ehemaligen französischen Kaserne am Stadtrand eingerichtet. Laut einer Verfügung der Regierung der Pfalz sollten sämtliche pfälzischen Schutzhaftgefangenen dorthin verbracht werden, wozu es aber durch die hohe Zahl der Inschutzhaftnahmen und die damit einhergehende rasche Überfüllung des Lagers nicht kam. Zum 13. April 1933 wurde das Lager geschlossen. Lagerkommandant war ab Mitte März 1933 SA-Standartenführer Adam Durein aus Deidesheim. Insgesamt wurden ca. 220 SA-, SS- und Stahlhelm-Männer in einem Teil des Kasernenbaus zu Hilfspolizisten ausgebildet, die in diesem Rahmen auch die Bewachung der Schutzhaftgefangenen übernahmen. Reguläre Polizei und Gendarmerie waren in die Ausbildung der Hilfspolizisten und die Verbringung von Schutzhaftgefangenen ins Lager involviert und darüber hinaus immer wieder auch zu Verhören im Lager selbst anwesend. In einem weiteren Teil des Kasernenbaus befand sich der Freiwillige Arbeitsdienst. Insgesamt waren im (frühen) Konzentrationslager Neustadt ca. 450 Männer und eine Frau in „Schutzhaft“. Die größte Gruppe der Häftlinge stellten Anhänger, Mitglieder oder Funktionäre der Arbeiterparteien (KPD, SPD, SAP). Dazu kamen einige wenige Mandatsträger des Zentrums/BVP, mehrere tatsächliche und vermeintliche Separatisten sowie stark vereinzelt – aufgrund interner Konflikte – Männer aus der NSDAP, der SA und des Stahlhelms. Fast 12 Prozent der Häftlinge waren Juden. Der Lageralltag war geprägt von Gewalt, wobei insbesondere Personen, gegen die polizeiliche Ermittlungen liefen, tatsächliche und vermeintliche Separatisten sowie Juden betroffen waren.

Quellen

Landesarchiv Speyer H90 58, J72 332; Stadtarchiv Neustadt A 5624.

Literatur

Miriam Breß, In „Schutzhaft“ im (frühen) Konzentrationslager Neustadt, in: Jahrbuch der Hambach Gesellschaft 23, 2017, 107–133. Der Aufsatz beschäftigt sich mit den Funktionen der „Schutzhaft“ anhand der Häftlinge des (frühen) Konzentrationslagers Neustadt.

Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der NS-Konzentrationslager 1933–1939. Berlin 1993. Die erste Studie explizit zu den Vorkriegskonzentrationslagern thematisiert auch das (frühe) Konzentrationslager Neustadt.

Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938. Göttingen 2017. Die Autorin beschäftigt sich in ihrer Studie auch explizit mit dem Diskurs um die Begriffe „frühe Lager“ und „frühe Konzentrationslager“.

Hans-Georg Meyer/Kerstin Roth, „Wühler, Saboteure, Doktrinäre“. Das Schutzhaftlager in der Turenne-Kaserne Neustadt an der Haardt, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.), Instrumentarium der Macht. Frühe Konzentrationslager 1933–1937. Berlin 2003, 221–238. Der Aufsatz gibt einen Überblick über das (frühe) Konzentrationslager Neustadt.

Hermann Morweiser, Vom Lager „Rheinpfalz“ nach Dachau gebracht. In Neustadt ist das provisorische KZ fast vergessen, in: Die Tat, 23.10.1981, 12–13. Der Autor legt hiermit den ersten Aufsatz zum (frühen) Konzentrationslager Neustadt vor.

Martina Ruppert-Kelly, Das Schutzhaftlager Neustadt an der Haardt (März–Mai 1933), in: Paul Habermehl/Hilde Schmidt-Häbel (Hrsg.), Vorbei – Nie ist es vorbei. Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt. Neustadt a. d. W. 2005, 137–143. Der Aufsatz gibt einen Überblick über das (frühe) Konzentrationslager Neustadt.

Johannes Tuchel, Konzentrationslager. Organisationsgeschichte und Funktion der „Inspektion der Konzentrationslager“ 1934–1938. Boppard a. Rh. 1991. Der Autor beschäftigt sich ausführlich mit der Entstehung der Konzentrationslager 1933/1934 und der Entwicklung des KZ-Systems unter der „Inspektion der Konzentrationslager“ 1934–1938.

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