von Martin Hanisch
Gegründet im Jahr 1926 wuchs der Neustadter SA-Sturm aufgrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage ab 1932 stark an. Viele der vor allem jungen Männer waren von Arbeitslosigkeit bedroht und hatten sich neben politischen auch persönliche Vorteile durch eine Mitgliedschaft erhofft. Das Durchschnittsalter lag anfänglich bei etwa 26 Jahren, nach der Machtübertragung 1933 stieg es auf ca. 31 Jahre. Insbesondere Angehörige der unteren Mittelschicht organisierten sich in der SA, wobei Angestellte die größte Berufsgruppe bildeten. Oftmals waren die Männer gleichzeitig NSDAP-Mitglied. Für das Konzept der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft spielte die SA eine bedeutende Rolle. Sie wirkte insbesondere zu Wahlkampfzeiten als Propagandainstrument, führte Kundgebungen und Aufmärsche auch im Neustadter Umland durch, klebte Wahlplakate oder warb durch Musik- und Kulturveranstaltungen für die NS-Ideologie. Vor allem kam ihr aber die Rolle zu, durch militärisches, uniformiertes Auftreten der NS-Politik drohend Ausdruck zu verleihen. Häufig waren ihre Mitglieder in gewalttätige Auseinandersetzungen mit den Gegnern der Nationalsozialisten verwickelt, besonders mit Kommunisten und Sozialdemokraten. Dabei trug die Gewalt auch zur Herausbildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls innerhalb der SA bei. Die Männer sahen sich als Elite im NS-Gefüge und verbrachten viel Zeit miteinander, häufig in ihrem Stammlokal „Fröhliche Pfalz“. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten beteiligten sich Angehörige der SA als Hilfspolizisten an Verhaftungs- und Gewaltaktionen gegen Systemgegner und Minderheiten oder führten etwa den Boykott jüdischer Geschäfte im März/April 1933 aus. Durch ihre reichsweite Entmachtung infolge des sogenannten „Röhm-Putsches“ 1934 verlor die SA an Bedeutung, existierte jedoch noch bis zum Kriegsende 1945 weiter und übernahm vor allem Ausbildungsaufgaben in der Wehrertüchtigung.
Quellen
Schreiben der Obersten SA-Führung an die Führer der SA-Gruppen über den Einsatz der SA in der Stadt- und Landwacht, 27.03.1944, Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 465c Zug. 1991-Nr. 81.
Roter Überfall in Bad Dürkheim, in: NSZ Rheinfront, 15.05.1935.
Erläuterungen von Eugen Huber zum Fragebogen, 20.02.1949, Landesarchiv Speyer (LASp) R18 20925.
Einspruch von Hermann Schwaab gegen die Entlassung aus dem Eisenbahndienst, 02.09.1947, LASp R18 13568.
Heinrich Sauer, Chronik der Stadt Neustadt an der Weinstraße. Kampfjahr 1933, Stadtarchiv Neustadt (StANW) 191.
10 Jahre NSDAP Ortsgruppe Neustadt an der Haardt. Festschrift zur Gründungsfeier am 18. und 19. Mai 1935, StANW 392b.
Literatur
Thomas Balistier, Gewalt und Ordnung. Kalkül und Faszination der SA. Münster 1989. Das Werk vollzieht weniger einen historischen Abriss der Geschichte der SA sondern analysiert vor allem die Ästhetik und das Wirken der Organisation als „Faust der Bewegung“ und untersucht dabei schwerpunktmäßig den Einsatz von Gewalt und Terror.
Martin Göllnitz, Entgrenzte Männerkameraderie, gewalttätige Volksgemeinschaft. Perspektiven auf die Neustadter SA, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Beitrag befasst sich explizit mit der Neustadter SA und legt hierbei den Fokus vor allem auf Gewaltdynamiken im Neustadter Raum vor 1933.
MARTIN HANISCH, Evangelisch, Bürgerlich, Parteigenosse: Anmerkungen zum Sozialprofil der Neustadter SA, in: Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus, https://neustadt-und-nationalsozialismus.uni-mainz.de/lexikon/quellen-und-literaturverzeichnis, Aufruf zuletzt am 02.12.2020. Die Studie enthält grafisch aufbereitete Angaben zur Sozialstruktur der SA Neustadts.
Franz Maier/Martin Hanisch, Ganz normale Männer? Ein Profil der Neustadter NSDAP, SA und SS, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Beitrag enthält unter anderem Informationen zum Sozialprofil der Neustadter SA.
Michael Kater, Ansätze zu einer Soziologie der SA bis zur Röhm-Krise, in: Ulrich Engelhardt u. a. (Hrsg.), Soziale Bewegung und politische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt. Stuttgart 1976, 798–831. Der Aufsatz bietet einen überregionalen Einblick in die soziokulturelle Zusammensetzung verschiedener SA-Stürme.
Peter Longerich, Geschichte der SA. München 2003. Neuaufgelegtes Standardwerk, das quellennah vor allem die SA zwischen ihrer Gründung 1920 und der Entmachtung 1934 beleuchtet.
Daniel Siemens, Sturmabteilung. Die Geschichte der SA. München 2019. Umfassende und aktuelle Studie, die vor allem in Bezug auf die Rolle der SA ab 1934 von Interesse ist.