Wirtschaft 1933–1939

Liste jüdischer Geschäfte, 1938. Foto: Stadtarchiv Neustadt, JB (Nr. 103), Antijüdische Maßnahmen (1933-1945).

von Mario Aulenbacher

Die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft wurden von vielen Unternehmern in Neustadt als ökonomisch erfolgreiche Zeit empfunden. Nach den entbehrungsreichen Jahren der Weltwirtschaftskrise war seit Sommer 1932 wieder ein leichter Aufwärtstrend zu verspüren, den die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme geschickt zu nutzen wussten. Sie adaptierten bereits angelaufene Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und erreichten damit eine drastische Verbesserung der Arbeitslosenzahlen. Zentrales Element dieser Strategie waren die Bestrebungen im Rahmen der Autarkiepolitik, die auf eine Wehrhaftmachung abzielten und als Vorbereitung auf den in der Zukunft zu führenden Krieg zu sehen sind. Exemplarisch dafür steht der Bau des Westwalls. Speziell der Neustadter Bausektor und die Textilindustrie profitierten von dieser Entwicklung. So zeigten sich Firmen wie die Pfalz-Saarbrücker Hartstein Industrie A. G. oder Julius Fillibeck Söhne Mitte der 1930er Jahre sehr zufrieden mit der wirtschaftlichen Lage. Bei annähernder Vollbeschäftigung kamen gar Beschwerden über einen Arbeits- und Fachkräftemangel auf. Der wirtschaftliche Aufschwung war jedoch erkauft durch eine massive Staatsverschuldung und die Ausgrenzung nicht der Volksgemeinschaft angehörender Teile der Bevölkerung. Auch in Neustadt wurden insbesondere jüdische Geschäftsleute vom Markt gedrängt und hinterließen Lücken, in die nun andere Unternehmen vorstoßen konnten. Als Beispiel hierfür kann das Kaufhaus Cohrssen dienen, das nach der Emigration der Familie Cohrssen von einem ehemaligen Mitarbeiter übernommen und unter seinem Namen als Kaufhaus Weickert weitergeführt wurde. Darüber hinaus profitierte der Wirtschaftsstandort Neustadt bis 1939 von seinem Status als Gauhauptstadt. Beispielsweise war sie als solche Sitz des „Gauverlages“ der „NSZ Rheinfront“ und damit die Presse-Schaltzentrale der Pfalz. Der Verlag erhielt 1938 gar die Auszeichnung als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“.

Literatur

Lothar Meinzer, Von der Dauerkrise in die Staatskonjunktur. Die pfälzische Industrie in der Zwischenkriegszeit, in: Gerhard Nestler/Hannes Ziegler (Hrsg.), Die Pfalz unterm Hakenkreuz. Eine Deutsche Provinz während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. Landau 1993, 161–184. Der Aufsatz bietet einen Überblick der Entwicklung zwischen den Weltkriegen und liefert dazu statistisches Material.

Werner Weidmann, Schul-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Pfalz, Bd. III. Otterbach 2002. Das Buch enthält ein Kapitel zur pfälzischen Industrie um 1935 und liefert damit eine gute Momentaufnahme der wirtschaftlichen Situation in der frühen Phase des NS-Regimes.

Mario Aulenbacher, Arbeiten für die Volksgemeinschaft. Neustadts Wirtschaft 1933–1945, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Aufsatz liefert einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Entwicklung Neustadts in der NS-Zeit unter Ausklammerung der Weinwirtschaft.

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