Was machst du in deiner Freizeit? Spielst du vielleicht Fuß- oder Handball? Triffst du dich mit Freund*innen? Oder lernst du ein Instrument? Auch Neustadter Kinder und Jugendliche, die während der NS-Zeit aufwuchsen, machten Sport, spielten Instrumente oder trafen sich miteinander. Dennoch unterscheidet sich dein Alltag von jenem der Jugendlichen vor etwa 90 Jahren grundsätzlich. Denn während der NS-Zeit waren Freizeitaktivitäten selten unpolitisch. Sie wurden unter dem Dach der nationalsozialistischen Jugendorganisation angeboten und dort stets mit nationalsozialistischer Weltanschauung verknüpft.
Kinder und Jugendliche spielten für die NS-Diktatur eine zentrale Rolle, da sie als die Zukunft der Volksgemeinschaft galten. In dem Gesetz über die Hitlerjugend vom 1. Dezember 1936 hieß es: „Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab." Junge Menschen waren wie kaum eine andere Gesellschaftsgruppe intensiver Propaganda ausgesetzt. Doch kann man von einer vollständigen „Erfassung" der gesamten Jugend unter nationalsozialistischer Herrschaft sprechen?
In diesem Unterkapitel kannst du anhand des ersten und zweiten Abschnittes zu den Themen „Hitlerjugend" und „Schule" beispielhaft nachvollziehen, wie der Alltag von Neustadter Kindern und Jugendlichen ab 1933 von nationalsozialistischer Propaganda durchdrungen wurde. Es geht aber auch um all jene jungen Menschen, die nicht Teil der Volksgemeinschaft sein sollten. Im letzten Abschnitt dieses Unterkapitels erfährst du schließlich, wie sich der Krieg auf den Alltag der Kinder und Jugendlichen auswirkte.
Ein besonders effektives Mittel zur einheitlichen Ausrichtung der Kinder und Jugendlichen war neben der Schule die 1926 gegründete nationalsozialistische Jugendorganisation, die Hitlerjugend (HJ). Die erste Gruppe der HJ in Neustadt entstand 1928, die erste Pfälzische Gruppe nur für Mädchen wurde 1930 oder 1931 gegründet. Nach 1933 wurde die HJ reichsweit von einer Parteijugend zur sogenannten „Staatsjugend" ausgebaut und im Jahr 1936 per Gesetz neben Schule und Elternhaus zur gleichberechtigten Erziehungsinstanz. In Neustadt fanden die Gruppen der HJ nach 1933 regen Zulauf.
Ein weitreichender Schritt auf dem Weg zur „Staatsjugend“ war die Zwangsauflösung und Enteignung konkurrierender Jugendorganisationen, deren Grundsätze der nationalsozialistischen Weltanschauung widersprachen. Im Mai 1933 wurde beispielsweise die Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) aufgelöst und zwangsenteignet. Das Heim der SAJ im Neustadter Brückensaal wurde zum Heim der HJ. Fortan sollten alle Kinder und Jugendlichen bis zu ihrem 18. Lebensjahr Mitglied in der HJ sein und dort ihre gesamte Freizeit verbringen. Zu den Veranstaltungen der HJ gehörten neben sportlichen und musikalischen Aktivitäten auch wöchentliche Schulungsabende, Fahrten, Lager, Feste und Feierlichkeiten. Alle Aktivitäten waren stets mit der Vermittlung der nationalsozialistischen Weltanschauung verbunden.
Info-Box: Begriffe „Hitlerjugend" und „Bund Deutscher Mädel"
Hier erfährst du, was die Begriffe „Hitlerjugend" und „Bund Deutscher Mädel" bedeuten.
M1: Bild-Text-Geschichte vom „Hitlerjungen Karl" aus dem Jahr 2020
Hier berichtet der fiktive Hitlerjunge Karl von seinem Alltag in der Hitlerjugend. Seine Perspektive wurde angelehnt an Neustadter Zeitzeug*innen-Berichte erstellt.
Info-Box: Lied „Vorwärts, vorwärts" (1933)
Hier findest du Informationen zu dem Lied „Vowärts, vorwärts".
M2: Dienstplan der Hitlerjugend Neustadt für den Monat Januar 1937
Info-Box: Heimabend
Hier findest du Informationen zu den „Heimabenden".
Aufgaben
Vertiefungsangebot: Innerer Monolog
M4: Ausschnitte aus dem Zeitungsartikel „Warum Sport im BDM?“ aus der NSZ Rheinfront vom 16. April 1937
M5: Erinnerungen der Neustadter Zeitzeugin Brigitte Lauer (*1932, pseudonymisiert2) im Jahr 2018 an ihre Zeit im BDM
Aufgaben
M7: Auszüge aus den Jahresberichten des Humanistischen Gymnasiums, der Oberrealschule und des Mädchen-Lyzeums Neustadt, 1933-1940
M8: Aufgabenstellungen für Deutschaufsätze vom Humanistischen Gymnasium, Mädchen-Lyzeum und der Oberrealschule (1933-1938)
Aufgaben
M9: Schreiben des Direktors der Oberrealschule in Neustadt an das Bayerische Ministerium für Unterricht und Kultus vom 23. August 1934
Der Direktor der Oberrealschule berichtet über die HJ-Mitgliedschaft seiner Schüler*innen
Info-Box: „Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitlerjugend" (1939)
Hier findest du weitere Informationen zur „Zweiten Durchführungsverodnung zum Gesetz über die Hitlerjugend".
M12 (Dialogische Lesung): Der Ausschluss von Kurt M. aus der HJ, Neustadt 1938/39
M12 (Schriftlicher Briefwechsel): Der Ausschluss von Kurt M. aus der HJ, Neustadt 1938/39
Info-Box: HJ-Streifendienst
Hier erfährst du, was der HJ-Streifendienst war.
M13: Der Fall um Christian P. (pseudonymisiert20) aus Duttweiler, 1936
Aufgaben
Der Zweite Weltkrieg veränderte das Leben von Kindern und Jugendlichen. Die junge Generation musste damit leben, dass Väter und Brüder in den Krieg zogen, dass Mütter und Schwestern in der Industrie oder Landwirtschaft „Kriegsdienst“ leisten mussten. Es schien wie selbstverständlich, dass der Krieg die Zeitungsberichterstattung und das Kinoprogramm bestimmte, dass Kinder und Jugendliche Schlachten nachspielten oder Autogramme ihrer „Kriegshelden“ sammelten. Zugleich wurden die Ansprüche des Staates immer größer. Aus Perspektive des NS-Regimes sollte die Jugend zeigen, was sie gelernt hatte. Haltet Euch bereit, der Führer braucht Euch alle – so war es in den Zeitungen zu lesen. Da es an Arbeitskräften ebenso mangelte wie an Rohstoffen und der Bedarf an Soldat*innen zusehends wuchs, mussten Kinder und Jugendliche einspringen und zahlreiche Aufgaben in der Wirtschaft, in sozialen Bereichen, etwa bei der Hilfe von Bombenopfern, und beim Militär übernehmen. Aus Sicht von Kindern und Jugendlichen war der Krieg also überall, er beeinflusste ihr Schul-, Freizeit- und Familienleben.
M14: „Kriegseinsatz der Jugend"
Info-Box: Wehrertüchtigungslager
Hier erfährst du, was unter einem „Wehrertüchtigungslager" zu verstehen ist.
Info-Box: Luftwaffenhelfer*in
Hier erfährst du, welche Aufgaben „Luftwaffenhelfer*innen" erfüllen mussten.
Info-Box: Wehrmachtshelferin
Hier erfährst du, wie Wehrmachtshelferinnen im Krieg eingesetzt wurden.
M18: Ein 16-jähriger Junge aus Neustadt schreibt über seine Erfahrungen beim „Volkssturm"22, März 1945
M19: Der Historiker Markus Raasch schreibt in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2019 über Kontrollmaßnahmen des NS-Regimes im Krieg
M20: Besprechungsprotokoll der Hitlerjugend im Gau Westmark, 11. August 1942
M21: Dis Historikerin Barbara Jahn schreibt in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2020 über jugendliche Verweigerung im Zweiten Weltkrieg
Aufgaben
M22: Alltägliche Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen im Krieg – Zeitzeug*innen berichten von ihren Erinnerungen
M23: Die Zeitzeugin Marianne Hübner spricht im Jahr 2019 über Familie und Politik im Zweiten Weltkrieg
M24: Die Zeitzeugin Irma Lindemann spricht im Jahr 2018 über Familie und Politik im Zweiten Weltkrieg
Aufgaben