„Schutzhaft“

„Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ aus dem Reichsgesetzblatt vom 28. Februar 1933.

von Miriam Breß

„Rechtsgrundlage“ der „Schutzhaft“ war die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ (sog. Reichstagsbrandverordnung) vom 28. Februar 1933. Durch diese wurde u. a. das Recht der Freiheit der Person (Art. 114 der Weimarer Reichsverfassung) außer Kraft gesetzt, wodurch die Entziehung der persönlichen Freiheit außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen (z. B. der Untersuchungshaft, Strafhaft und Polizeihaft) durch die Exekutive möglich wurde. Bereits seit dem Ersten Weltkrieg wurde diese Haft, die aufgrund der Verhängung des Ausnahme- bzw. des Belagerungs- und Kriegszustandes möglich wurde, „Schutzhaft“ genannt. Das NS-Regime wandte die „Schutzhaft“ radikal an und weitete sie aus. Allein im Amtsgerichtsbezirk Neustadt wurden zwischen März 1933 und April 1934 über 160 Männer und Frauen in „Schutzhaft“ genommen und in die Amtsgerichtsgefängnisse Neustadt und Edenkoben, das (frühe) Konzentrationslager Neustadt, das Konzentrationslager Dachau oder in polizeiliche Verwahrlokale gebracht. In Einzelfällen wurde die „Schutzhaft“ auch in sog. „Zimmerhaft“ (Hausarrest) und im städtischen Krankenhaus Neustadt vollstreckt. Die „Schutzhaft“ hatte 1933/1934 prinzipiell die Funktion der politischen „Gleichschaltung“. Dabei richtete sich der erste Schlag primär gegen die Arbeiterbewegung, während im Juni 1933 Zentrum/BVP im Fokus standen. Sie diente aber von Beginn an auch der Herstellung der Volksgemeinschaft, indem sie Exklusions- und Inklusionsmechanismen begleitete. Als Exklusionsinstrument war sie dabei vor allem gegen jüdische Deutsche gerichtet. Aber auch nicht-erwünschtes Verhalten, wie bspw. Äußerungen gegen nationalsozialistische Maßnahmen oder Symbole, wurden mit dem Instrument der „Schutzhaft“ bekämpft. Darüber hinaus wurde mit ihr die soziale Inklusion der Volksgemeinschaft vorangetrieben, wobei sie auch die Möglichkeit bot, persönliche Interessen durchzusetzen. All diese Funktionen sind auch anhand der „Schutzhaftmaßnahmen“ in Neustadt und Umgebung belegt.

Quellen

Landesarchiv Speyer H75 3, J83 3691, J89 1.

Literatur

Miriam Breß, In „Schutzhaft“ im (frühen) Konzentrationslager Neustadt, in: Jahrbuch der Hambach Gesellschaft 23, 2017, 107–133. Die Arbeit beschäftigt sich mit den Funktionen der „Schutzhaft“ anhand der Häftlinge des (frühen) Konzentrationslagers Neustadt.

Klaus Drobisch/Günther Wieland, System der NS-Konzentrationslager 1933–1939. Berlin 1993. Die Autoren geben einen kurzen Überblick über das Instrument der „Schutzhaft“ und dessen historische Entwicklung.

Thomas Raithel/Irene Strenge, Die Reichstagsbrandverordnung. Grundlegung der Diktatur mit den Instrumenten des Weimarer Ausnahmezustands, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 48, 2000, 413–460. Die Autoren befassen sich intensiv mit der Reichstagsbrandverordnung und deren Vorläufer.

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