Gauleiter, Amt (auch Gauleitung)

Kraftwagenflagge des Gauleiters, 1936-1938.

von Tobias Hirschmüller

Nach der Neugründung der NSDAP im Jahr 1925 und den ersten Wahlerfolgen wurde das Deutsche Reich hinsichtlich der Organisationsstruktur der Partei in zunächst 33 Regionen eingeteilt. Anzahl und territorialer Umfang dieser sogenannten „Gaue“ änderten sich bis 1941 vielfach. Die Bezeichnung, die aus dem Althochdeutschen übernommen wurde, sollte den Nationalsozialismus historisch legitimieren. An der Spitze standen die von Adolf Hitler (1889–1945) ernannten Gauleiter, wobei es sich zunächst um ein reines Parteiamt handelte. Durch die Festigung der nationalsozialistischen Herrschaft nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, insbesondere durch die „Gleichschaltung“ der deutschen Länder, stiegen die Aufgaben und damit die Bedeutung der Gauleiter. Sie vertraten die Interessen der Partei und versuchten ihre Macht durch die zusätzliche Übernahme von staatlichen Ämtern innerhalb ihres Gaues zu erweitern. Ein weiterer Kompetenzzuwachs erfolgte nach der Verkündigung des „Vierjahresplanes“, als vor dem Hintergrund der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs der Einfluss auf die kriegsrelevante Wirtschaft wuchs. Nach Kriegsausbruch wurde zudem das Amt des Reichsverteidigungskommissars (RVK) eingeführt. Für jene Gauleiter, die nun auch als RVK fungierten, führte dies zu einer nochmaligen Steigerung ihrer Macht. Sie waren nun für die Organisation der Kriegswirtschaft wie für die Sicherstellung der Energie- und der Nahrungsmittelversorgung zuständig. Neben der Entwicklung der Gauleiterfunktion vom Parteiamt zur zentralen Administrationsmacht in ihrem Einflussbereich kam ihnen eine identitätsstiftende Funktion als Repräsentant ihres Gaues hinzu. Die Amtsführung sollte sich an die jeweiligen regionalen Besonderheiten anpassen und der Inhaber sich als Wahrer und Förderer von lokalen Traditionen inszenieren, die nicht im Widerspruch zur NS-Ideologie standen.

Quellen

Hartmann Lauterbacher, Erlebt und mitgestaltet. Kronzeuge einer Epoche 1923–1945. Zu neuen Ufern nach Kriegsende. Preußisch-Oldendorf 1984. Der Autor war während des Nationalsozialismus in mehreren Funktionen in Partei und Staat tätig und gibt Einblicke in regionale Besonderheiten der Gauführung.

Literatur

Peter Diehl-Thiele, Partei und Staat im Dritten Reich. Untersuchungen zum Verhältnis von NSDAP und allgemeiner innerer Staatsverwaltung 1933–1945. 2. Aufl. München 1971. Immer noch ein gutes Einführungswerk zum Spannungsverhältnis zwischen Partei und Staat.

Peter Hüttenberger, Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der NSDAP. Stuttgart 1969. Immer noch eine lesenswerte Studie über die Entwicklung des Gauleiteramtes im NS-Staat.

Jürgen John u. a. (Hrsg.), Die NS-Gaue. Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen „Führerstaat“. München 2007. Umfängliche Sammlung von knappen Aufsätzen zu allgemeinen Grundfragen, politischen Aufgabenfeldern und Verwaltung wie auch mit ausgewählten Fallbeispielen.

Michael D. Miller/Andreas Schulz, Gauleiter. The Regional Leaders of the Nazi Party and Their Deputies, 1925–1945, 2 Bde. San José 2017. Bisher zwei von drei Bänden erschienen. Umfängliche, chronologisch aufgebaute Biografien sämtlicher Gauleiter und deren Vertreter mit zahlreichen gedruckten Quellen (allerdings ins Englische übersetzt) und sehr umfänglichen Literaturangaben.

Walter Ziegler, Gaue und Gauleiter im Dritten Reich, in: Horst Möller/Andreas Wirsching/Walter Ziegler (Hrsg.), Nationalsozialismus in der Region. Beiträge zur regionalen und lokalen Forschung und zum internationalen Vergleich. München 1996, 139–159. Insbesondere zu regionalgeschichtlichen Besonderheiten von Gauen als „konstitutive Regionen“ empfehlenswert.

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