Schmelcher, Willy

Willy Schmelcher

von Martin Hanisch

Geboren am 25. Oktober 1894 in Eppingen als Sohn eines Glasermeisters, studierte Schmelcher bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges an der Stuttgarter Baugewerbeschule Bautechnik und meldete sich am 3. August 1914 freiwillig als Pionier für die Westfront. Er wurde mehrfach verwundet und stieg bis Kriegsende in den Rang eines Leutnants auf. Im Anschluss schloss Schmelcher sein Studium als Regierungsbaumeister ab und fand zwischen 1927 und 1931 Anstellung als Vorstand des technischen Büros der Wasser- und Abwasservereinigung in Neustadt a. d. Haardt sowie von April 1932 bis 1933 als Bauingenieur bei der dortigen Internationalen Baumaschinenfabrik (IBAG). Nachdem Schmelcher bereits zwischen 1920 und 1928 im rechtsradikalen Wikingbund erste politische Erfahrungen gesammelt hatte, trat er am 1. Juni 1928 in die NSDAP und SA ein. Er entwickelte sich bald zu einem umtriebigen NS-Funktionär, wurde für die NSDAP in den Neustadter Stadtrat entsandt (1928–1934) und mit der Führung der Fraktion betraut. Auch im Pfälzischen Kreistag in Speyer übernahm er von 1933 bis 1937 die Fraktionsführung der NSDAP und war von November 1933 bis 1945 auch Mitglied des Deutschen Reichstags in Berlin. Wohl begünstigt durch seine politischen Verbindungen gelangte Schmelcher zwischen 1933 und 1937 an den Posten eines Aufsichtsratsvorsitzenden der Pfälzischen Gas AG. Dennoch lag sein Fokus wohl eher auf einer Karriere innerhalb der SS, der er am 17. Juni 1930 beigetreten war. Rasch stieg Schmelcher auch in den Strukturen der Neustadter SS auf, hatte zwischenzeitlich die Führung des Sturmes inne und übernahm schließlich vom 10. September 1932 bis zum 10. Juli 1935 die Leitung der in Neustadt stationierten 10. SS-Standarte „Pfalz“. Vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges profitierend wurde er in dessen Verlauf bis in den dritthöchsten SS-Rang eines Gruppenführers befördert. Vermutlich hatte sich Schmelcher hierfür durch seine Tätigkeiten in der Ukraine empfohlen, wo er nach Ausbruch des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion zwischen dem 19. November 1941 und dem 1. Juli 1943 im Generalbezirk Tschernigow und von Mai 1943 bis 8. September 1943 in Schytomyr als SS- und Polizeiführer tätig war. In Schytomyr dürfte es auch zur Zusammenkunft mit dem Gründer der Neustadter SS, Ernst Ludwig Leyser, gekommen sein, der zeitgleich den einflussreichen Posten des Generalkommissars für den hiesigen Generalbezirk innehatte. Inwiefern sich Schmelcher an den zu dieser Zeit im betreffenden Gebiet stattgefundenen Massenmordaktionen und Kriegsverbrechen der SS beteiligte, konnte bisher nicht geklärt werden. Wohl auch deshalb wurde Schmelcher nach Kriegsende in seinem Entnazifizierungsverfahren nur als „Minderbelasteter“ eingestuft und fand trotz seiner NS-Karriere im Nachkriegsdeutschland zwischen 1954 und 1962 Anstellung im Saarländischen Ministerium des Innern in der Abteilung für Zivilverteidigung. Schmelcher verstarb am 15. Februar 1974 in Saarbrücken.

Quellen

Urteil der Sonderspruchkammer für die Internierten des Lagers Balingen vom 18. Januar 1949 in Sachen der politischen Säuberung des Willy Schmelcher, Staatsarchiv Sigmaringen Wü 13 T 2/2673/020.

Literatur

Franz Maier, Biographisches Organisationshandbuch der NSDAP und ihrer Gliederungen im Gebiet des heutigen Landes Rheinland-Pfalz. 2. Aufl. Mainz u. a. 2009, 412–415. Das Standardwerk zur pfälzischen NSDAP enthält einen ausführlichen Eintrag zu Schmelcher.

Franz Maier, Aufräumarbeiten an der Volksgemeinschaft. Die Entnazifizierung, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Aufsatz enthält Informationen zum Entnazifizierungsverfahren Schmelchers vor der Lagerspruchkammer Balingen in Württemberg, wo er nach Kriegsende eine Zeit lang interniert war sowie zu seinem Verhältnis zu Ernst Ludwig Leyser.

Franz Maier/Martin Hanisch, Ganz normale Männer? Ein Profil der Neustadter NSDAP, SA und SS, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Münster 2020. U. a. wird in diesem Aufsatz die Funktion Schmelchers für die NSDAP-Ortsgruppe Neustadts thematisiert.

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