Grenzlandpropaganda

von Tobias Hirschmüller

Die Gebietsverluste des Deutschen Reiches durch den Versailler Vertrag, die darin noch vorgesehenen Volksabstimmungen sowie die französische Unterstützung von Separationsbestrebungen im Rheinland führten in weiten Teilen der Gesellschaft in der Weimarer Republik zu der Vorstellung, bedrohte Grenzprovinzen verteidigen zu müssen. Nach der NS-Ideologie musste dieser „Grenzlandkampf“ in erster in Linie in Regionen geführt werden, die an romanische und slawische Nachbarstaaten angrenzten. Aus den Soldaten des Ersten Weltkriegs hätten sich, so die Propaganda, die Vorkämpfer der „Bewegung“ entwickelt, Erfahrungen aus geographischen Grenzlagen die Entwicklung der nationalsozialistischen Weltanschauung begünstigt. Angebliche Erfolge im Kampf gegen die Abtretung der linksrheinischen Gebiete wurden daher ein wesentlicher Aspekt der Selbstinszenierung von Gauleiter Josef Bürckel (1895–1944) als „Pfalzbefreier“. Es galt als dessen Verdienst, dass der Gau ein „Bollwerk“ gegen den Westen geworden sei. Fortgeführt wurde der Grenzlandkampf bei Bürckel durch dessen Aufgaben zunächst als „Reichskommissar für die Rückgliederung des Saargebiets“ und dann als solcher für die „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ sowie nach der faktischen Annexion von Lothringen als „Reichsstatthalter der Westmark“. Die Verteidigung des Grenzlandes war in der NS-Ideologie somit nur der erste Schritt, die Initiative zur Eroberung von „Lebensraum“ zu ergreifen. Noch unter Helmut Kohl gedachte die Landesregierung von Rheinland-Pfalz unkritisch der Aufständischen gegen die französische Besatzung während der Weimarer Republik. Bürckels Rolle wurde dabei ausgeblendet.

Quellen

Deutsches Grenzland. Jahrbuch des Instituts für Grenz- und Auslandstudien.

Erzieher der Westmark. Zeitschrift des Nationalsozialistischen Lehrerbunds (NSLB) Gau Saarpfalz.

NSZ-Rheinfront.

NSZ-Westmark. Amtliche Tageszeitung der NSDAP Gau Westmark. Ausgabe Neustadt an der Weinstraße.

Karl Mehrmann (Hrsg.), Rheinland. Unsere Westmark in Fesseln. Berlin-Tempelhof 1934.

Heinrich Schneider (Hrsg.), Unsere Saar. Berlin-Tempelhof 1934.

Hans Heinz Thumann (Hrsg.), Die Pfalz, das Herz der Westmark. Berlin-Tempelhof 1934.

Literatur

Wolfgang Freund, Volk, Reich und Westgrenze. Deutschtumswissenschaften und Politik in der Pfalz, im Saarland und im annektierten Lothringen 1925–1945. Saarbrücken 2006. Betrachtet die Bestrebungen, Abwehr und Expansion an der deutschen Westgrenze zu legitimieren.

Gerhard Gräber/Matthias Spindler, Die Pfalzbefreier. Volkes Zorn und Staatsgewalt im bewaffneten Kampf gegen den pfälzischen Separatismus 1923/24. Ludwigshafen a. Rh. 2005. Aufarbeitung der Vorgänge bei den Aufständen gegen die französische Besatzung und deren Sympathisanten in der Pfalz. Enthält zudem einen Ausblick zur Tradierung der Verklärung aus der Zwischenkriegszeit in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik.

Michael Schepua, „Sozialismus der Tat“ für das „Bollwerk im Westen“. Entwicklung und Besonderheiten des Nationalsozialismus in der Pfalz, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25, 1999, 551–601. Gute Analyse zur nationalsozialistischen Propaganda über die Pfalz als Grenzraum.

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