Bürckel, Josef

Josef Bürckel (Aufnahme etwa 1937/39)

von Tobias Hirschmüller

Josef Bürckel wurde am 30. März 1895 in Lingenfeld im Landkreis Germersheim, damals bayerisch, als Sohn des Bäckers Michael Bürckel und dessen Frau Magdalena geboren. Das jüngste von vier Kindern besuchte zunächst die Volksschule in seiner Geburtsstadt, dann die Realschule in Karlsruhe und die Lehrerbildungsanstalt in Speyer. Während des Ersten Weltkrieges, für den er sich 1914 als Freiwilliger in der bayerischen Armee meldete, legte er seine Lehramtsprüfungen ab. Nach Kriegsende schloss er diese Ausbildung ab und arbeitete zwischen 1920 und 1927 an mehreren Orten der Pfalz als Lehrer. Bereits seit 1921 war Bürckel Mitglied der NSDAP und beteiligte sich am Kampf gegen separatistische Bewegungen in der Pfalz. Umstritten ist seine Rolle beim Sturm auf das Pirmasenser Bezirksamt am 12. Februar 1924. Eine Gruppe von pfälzischen Separatisten, die eine Loslösung der Pfalz vom Reich anstrebte, hatte das Bezirksamt besetzt, wurde darauf von einer aufgebrachten Menschenmenge angegriffen und zum Teil gelyncht. Bürckel, dessen tatsächliche Rolle bei der Aktion gegen die Separatisten bis heute nicht geklärt ist, wurde in der nationalsozialistischen Propaganda Zeit seines Lebens zum „Verteidiger“ der Pfalz überhöht. Als Nachfolger von Friedrich Wambsganß (1886–1979) wurde er 1926 zum Gauleiter des damaligen Gaus Rheinpfalz ernannt. In dieser Funktion inszenierte er sich immer wieder als NS-Politiker, der sich für soziale Belange einsetze. Doch waren seine nach 1933 angestoßenen Maßnahmen wie die Gründung der „Deutschen Weinstraße“ oder die „Volkssozialistische Selbsthilfe Rheinpfalz“ eher unstrukturiert, sollten der Loslösung von München und damit dem eignen Machtgewinn innerhalb des Regimes dienen. Seine angeblichen Erfolge ließ er in der Gaupresse, der „NSZ Rheinfront“ und später der „NSZ Westmark“, feiern, wo er vergleichsweise unabhängig die Berichterstattung vorgeben konnte. Ferner erhielt Bürckel eine Reihe von zentralen politischen Ämtern beim Aufbau des Nationalsozialismus in Gebieten, die dem Deutschen Reich eingegliedert wurden. So war der „Gauleiter für Anschlüsse“ zunächst in den Jahren 1935/1936 „Reichskommissar für die Rückgliederung des Saargebiets“, das zudem seinem Gau einverleibt wurde. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurde er „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Hier stieß er jedoch auf zahlreiche von ihm nicht zu bewältigende Konflikte, was die in der Geschichtsschreibung noch immer vorkommende Bezeichnung „Krisenmanager“ haltlos macht. Außerdem fungierte er von 1940 bis 1944 als „Reichsstatthalter der Westmark“ mit Sitz in Saarbrücken sowie „Chef der Zivilverwaltung“ der ebenfalls seinem Gau eingegliederten Provinz Lothringen. Am 28. September 1944, als die Truppen der Westalliierten bereits kurz vor seiner Gaugrenze standen, starb Bürckel eines natürlichen Todes. Das soziale Engagement, das Bürckel den Beinahmen „Roter Gauleiter“ einbrachte, wurde in der historischen Forschung lange zu unkritisch bewertet. Zudem war er aktiv in die Deportation und Ausplünderung der Juden in seinem Gaubereich involviert und damit tief in die Verbrechen des Regimes verstrickt. Bürckel war seit 1920 mit seiner Frau Hilda, geborene Spieß, verheiratet, mit der er zwei Söhne hatte.

Quellen

Josef Bürckel, Kampf um die Saar. Stuttgart u. a. 1934.

Josef Bürckel, Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik. München 1939.

Josef Bürckel, Der Parteiaufbau in der Ostmark. Anordnungen und Verfügungen. Wien 1939.

Josef Bürckel, Volk und Kultur. Wien 1940.

Josef Bürckel, Lothringen! Neustadt an der Weinstraße 1940.

NSZ Rheinfront. Neustadt an der Weinstraße.

NSZ Westmark. Amtliche Tageszeitung der NSDAP Gau Westmark. Ausgabe: Neustadt an der Weinstraße.

Literatur

Tobias Hirschmüller, Der Volkssozialist im Trenchcoat? Gauleiter Josef Bürckel und sein angeblicher Mythos, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus, Münster 2020. Auf einer Mythostheorie basierender Beitrag zum Wandel des Personenkultes um Bürckel mit einer umfänglichen Auswertung der NS-Periodika.

Dieter Muskalla, NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel. Gleichschaltung – Neuordnung – Verwaltung. Saarbrücken 1995. Wichtige Abhandlung zum Aufbau der nationalsozialistischen Herrschaft und damit ideologischen Infiltrierung des 1935 an das Deutsche Reich zurückgegebenen Saargebietes.

Pia Nordblom u. a. (Hrsg.), Josef Bürckel. Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz. 2., verbesserte und ergänzte Auflage. Kaiserslautern 2020. Gute Aufsatzsammlung, in der von Presse- über Kirchenpolitik, Staatspolizei, „Weinstraße“ sowie Netzwerke im NS-Machtgefüge und Besatzungsmaßnahmen in Lothringen zahlreiche wichtige Aspekte zur Bürckel-Forschung aufgegriffen werden.

Hans Schaefer, Bürckels Bauernsiedlung. Nationalsozialistische Siedlungspolitik in Lothringen während der „verschleierten“ Annexion 1940–1944. Saarbrücken-Dudweiler 1997. Entscheidende Arbeit über die nationalsozialistische Siedlungsexpansion nach Westen, die bei Bürckel auch mit dem Ziel einer Separierung von München verbunden war.

Lothar Wettstein, Josef Bürckel. Gauleiter Reichsstatthalter Krisenmanager Adolf Hitlers. Norderstedt 2009. Zwar die umfänglichste Gesamtdarstellung zum Leben von Bürckel, doch die Artikel aus der Gaupresse „NSZ Rheinfront“ und „NSZ Westmark“ werden zur Charakterisierung der Persönlichkeit zu unkritisch übernommen. Allein der Begriff „Krisenmanager“ bei der Titelwahl suggeriert eine zu erfolgreiche politische Tätigkeit von Bürckel.

Dieter Wolfanger, Josef Bürckel und Gustav Simon. Zwei Gauleiter der NSDAP und ihr Streit um die „Westmark“, in: Wolfgang Haubrichs (Hrsg.), Zwischen Saar und Mosel. Festschrift für Hans-Walter Herrmann zum 65. Geburtstag. Saarbrücken 1995, 397–410. Kurze, aber gelungene Analyse zu den Konflikten von Machthabern im NS-Herrschaftssystem.

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