Bürckel-Mythos

Josef Bürckel im Trenchcoat, in: NSZ Rheinfront, 30. März 1939.

von Tobias Hirschmüller

In den von Josef Bürckel gesteuerten Medien wurde der Gauleiter als Sachwalter regionaler Angelegenheiten und damit Identifikationsfigur für die Provinz inszeniert. Hervorgehoben wurde zunächst Bürckels Bedeutung während der Zeit der Rheinlandbesatzung, wobei er als Vorkämpfer bei der Verteidigung der Grenze galt. Diese Abwehrrolle wurde durch die Funktionen des Gauleiters bei der Rückgliederung der Saarregion, dem „Anschluss“ Österreichs und der Annexion Lothringens um einen expansiven Charakter erweitert. Auch die Propagierung von sozialem und wirtschaftlichem Engagement sowie die Betonung von kulturellen Errungenschaften und einer persönlichen Verbundenheit Bürckels mit Adolf Hitler waren markant. Die bildliche Inszenierung in der Presse zeigte den Gauleiter selten in der Parteiuniform, sondern im Trenchcoat und unter Arbeitergruppen, um Volksnähe zu suggerieren. Auffällig ist bei der Auflistung der Verdienste in den jährlichen Geburtstagsartikeln, dass ein zentraler Punkt im NS-Weltbild wie der Antisemitismus und die regional groß propagierte „Deutsche Weinstraße“ kaum Erwähnung fanden. Umstritten ist in der Geschichtsforschung zum einen, inwieweit dies Bürckels Persönlichkeit entsprach. Während sich die Verstrickung in die Verbrechen des Regimes nicht bestreiten lässt, wurde ihm lange Zeit eine eher distanzierte Haltung zur NS-Ideologie attestiert. Zum anderen geht die Historiographie größtenteils davon aus, dass diese angebliche Distanz zu einer weit in die Nachkriegszeit reichenden Verklärung seiner Person in der Pfalz geführt habe. Dies lässt sich jedoch empirisch nicht belegen. Schon der Tod des Gauleiters rief wenig Interesse in der Region hervor.

Quellen

NSZ-Rheinfront; NSZ-Westmark. Amtliche Tageszeitung der NSDAP Gau Westmark. Ausgabe Neustadt an der Weinstraße; Unsere Heimat. Blätter für saarländisch-pfälzisches Volkstum.

Literatur

Tobias Hirschmüller, Der Volkssozialist im Trenchcoat? Gauleiter Josef Bürckel und sein angeblicher Mythos, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Auf einer Mythostheorie basierender Beitrag zum Wandel des Personenkultes um Bürckel mit einer umfänglichen Auswertung der NS-Periodika.

Michael Schepua, „Sozialismus der Tat“ für das „Bollwerk im Westen“. Entwicklung und Besonderheiten des Nationalsozialismus in der Pfalz, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25, 1999, 551–601. Für den Zusammenhang von regionalen Besonderheiten der Propaganda hilfreich.

Dieter Schiffmann, Gauleiter Bürckel – ein Meister der inszenierten „Volksgemeinschaft“?, in: Pia Nordblom u. a. (Hrsg.), Josef Bürckel. Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz. Kaiserslautern 2019, 153–168. Ausarbeitung einzelner Beispiele der Suggestion von erfolgreicher nationalsozialistischer Regionalpolitik und deren Wirkmächtigkeit.

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