„Deutsche Weinstraße“

Gauleiter Josef Bürckel bei seiner Eröffnungsfahrt der „Deutschen Weinstraße" am 20. Oktober 1935. Im Fond seines Wagens die „Pfälzische Weinkönigin" 1934, Trudel Knauber aus Billigheim. Foto: IMAGNO/Süddeutsche Zeitung Photo, 01038211.

von Christof Krieger

Noch heute zählt die in den Jahren des „Dritten Reiches“ von Josef Bürckel begründete „Deutsche Weinstraße“ zum Kernstück des pfälzischen Weinmarketings. Handfeste ökonomische und mehr noch politische Gründe hatten den pfälzischen Gauleiter im Oktober 1935 überstürzt zur Schaffung dieser ungewöhnlichen Propagandaroute am Fuße des Pfälzer Waldes von Schweigen an der französischen Grenze bis nach Grünstadt und später Bockenheim bewogen. Unmittelbarer Anlass war die von zwei Rekordweinernten ausgelöste Absatzkrise der deutschen Weinbauern. Als daraufhin von der nationalsozialistischen Bauernorganisation zur Linderung der Absatznot im ganzen Reich kurzfristig ein einwöchiges „Fest der deutschen Traube und des Weines“ ausgerufen wurde, in dem alle „Volksgenossen“ unter der Parole „Wein ist Volksgetränk!“ zum verstärkten Konsum heimischen Rebensaftes animiert werden sollten, witterte der pfälzische NS-Führer die Gelegenheit, unter dem Deckmantel dieser Reichsnährstandskampagne seine eigenmächtige Sonderaktion zu starten. Zwar gab es durchaus schon frühere Überlegungen zur Einrichtung einer Weinwerbestraße in der Pfalz – doch die Proklamation einer rein innerpfälzischen Strecke als „Deutsche[!] Weinstraße“ wäre wohl zu keinem anderem Zeitpunkt von niemand anderem gegenüber den übrigen Weinanbaugebieten durchsetzbar gewesen. Sie war Ausdruck von Bürckels ehrgeizigem Bemühen, das landesweite Weinpropagandaspektakel vorwiegend für die Weinbauern seines eigenen Gaues zu instrumentalisieren und dabei zugleich seinen selbstherrlichen Anspruch von der Pfalz als vorgeblich bedeutendstem Weinanbaugebiet des Reiches für alle Zeiten zu zementieren. Dabei mussten binnen weniger Wochen immerhin sechzig Kilometer Landstraße teilweise überhaupt erst einmal baulich hergerichtet und dabei nicht weniger als 32 Weinbaugemeinden zur sofortigen Beseitigung etwaiger „Schandflecken“ im jeweiligen Ortsbild genötigt werden. Auch galt es in den betreffenden Kommunen die zügige Umbenennung der jeweilig berührten Straßenzüge in „Deutsche Weinstraße“ zu veranlassen, um für diese Namensgebung bereits vorab Tatsachen zu schaffen, die sich nicht so leicht wieder rückgängig machen ließen. 1936 wurde in Schweigen zudem das zunächst nur provisorische hölzerne „Weintor“ in Stein errichtet und auch die Benennung „an der (deutschen) Weinstraße“ für die an der Strecke liegenden Ortschaften im übrigen Reich etabliert, die allen voran dem vormaligen „Neustadt an der Haardt“ zu seinem ebenso prägenden wie prestigeträchtigen Namenszusatz verhalf.

Literatur

Günther  List  (Hrsg.), „Deutsche, lasst des Weines Strom sich ins ganze Reich ergiessen!“. Die Pfälzer und ihre Weinstraße. Ein Beitrag zur alternativen Landeskunde, Heidelberg 1985. Der Sammelband fasst den damaligen Stand der Forschung zusammen, nachdem es anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum der „Deutschen Weinstraße“ zum Eklat gekommen war.

Dagmar Gilcher, Das Thema „Bürckel und die Weinstraße“ – eine „heiße Kartoffel“? Journalistische Beobachtungen, in: Pia Nordblom u. a. (Hrsg.), Josef Bürckel. Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz, Kaiserslautern, 2019, 169–174. Der Aufsatz macht insbesondere auf die bestehende Problematik der Entstehungsgeschichte der „Deutschen Weinstraße“ als nach wie vor wichtigstem Marketinginstrument des pfälzischen Weinbaues aufmerksam.

Christof Krieger, „Wein ist Volksgetränk!“. Weinpropaganda im Dritten Reich am Beispiel des Anbaugebietes Mosel-Saar-Ruwer, Zell (Mosel) 2018. Hierbei handelt es sich um die bislang erste umfassende wissenschaftliche Darstellung zur Weinpropaganda im „Dritten Reich“.

chevron_left chevron_right