„Deutsche Weinkönigin"

Überreichung des Ehrentrunks an Gauleiter Josef Bürckel in Neustadt durch die Weinkönigin Hilde Köhler aus Gimmeldingen anlässlich der Eröffnung der „Deutschen Weinstraße“ 1935, in: Der Deutsche Weinbau 22, 27. Oktober 1935.

von Christof Krieger

Am 4. Oktober 1931 wurde im Rahmen des dritten „Pfälzischen Weinlesefestes“ in Neustadt erstmals die Tochter eines Elektrizitätswerksdirektors aus Pirmasens zur „Pfälzischen Weinkönigin“ gewählt. Entgegen der Legende, die vom Neustadter Verleger Daniel Meiniger als Schöpfer der „Weinköniginnenidee“ wissen will, handelte es sich bei ihr, wie auch ihrer im Jahr darauf proklamierten Nachfolgerin, lediglich um die Siegerin einer Art „Misswahl“ nach amerikanischem Vorbild. Mit dieser sollte das abendliche Unterhaltungsprogramm um einen im Wortsinn attraktiven Programmpunkt bereichert und – da ausnahmslos jede Festteilnehmerin auf den Titel hoffen durfte – möglichst viele junge Damen (und damit zugleich auch Herren) zur Festteilnahme animiert werden. Erst in den Friedensjahren des „Dritten Reiches“ entwickelte sich aus diesem bloßen Titel schrittweise ein repräsentatives Amt im Dienst der Weinwerbung, wobei eine entscheidende Rolle dem pfälzischen Gauleiter Josef Bürckel zukam. So bedurfte es – da den neuen Machthabern jegliche Schönheitskonkurrenzen als Ausdruck „jüdisch-bolschewistischer Dekadenz“ galten – seiner persönlichen Intervention, um die jährliche Proklamation von Weinmajestäten unter der NS-Herrschaft überhaupt fortsetzen zu können. Nachdem die Wahl einer Weinkönigin im Herbst 1933 sogar bereits aus dem Festprogramm gestrichen worden war, galt deren erste Amtshandlung außerhalb des Neustadter Weinlesefestes bezeichnenderweise der Huldigung des Gauleiters anlässlich der Eröffnung von dessen „Deutscher Weinstraße“ im Oktober 1935. Ihre Erhebung von der „Pfälzischen“ zur „Deutschen Weinkönigin“ war nur folgerichtig, nachdem Bürckel eine innerpfälzische Streckenführung durch sein Parteireich kurzerhand zur nationalen Weinwerberoute erklärt hatte. Allerdings sah sich der Pfälzer Parteiführer hierbei zu längerfristigem Lavieren gezwungen, zumal dessen nördlicher Gauleiter-Kollege und Dauerrivale Gustav Simon vom Gau Koblenz-Trier bereits eine eigene „Weinkönigin der Westmark“ nach Berlin entsandte. Tatsächlich gelang es Bürckel mittels der ihm hörigen Parteipresse und dem Verweis auf die Pfalz als vorgeblich größtem Weinanbaugebiet des Reiches, beim Neustadter Weinlesefest 1937 die pfälzische Weinmajestät öffentlich als „Deutsche Weinkönigin“ zu inthronisieren, unter welchem Titel sie im Jahr darauf auch im übrigen Reich allgemein akzeptiert wurde. Erst als sich nach Wiederaufnahme des Weinlesefestes nach dem Krieg seitens der übrigen Weinanbaugebiete zunehmend Widerstand abzeichnete, gestattete man diesen ab 1950 jeweils eigene Kandidatinnen nach Neustadt zu entsenden, womit die pfälzische Weinstadt bis heute ihren Status als primärer Krönungsort der „Deutschen Weinkönigin“ zu bewahren vermochte.

Quellen

Stadt & Dorfanzeiger, 1931–1933; Pfälzische Bürger-Zeitung, 1931–1933; Pfälzischer Kurier, 1931–1934; NSZ Rheinfront. Ausgabe Ost, 1933–1936; NSZ Rheinfront. Ausgabe Neustadt an der Weinstraße, 1937–1940; Neue Abendzeitung für den Gau Saarpfalz. Ausgabe Haardt, 1935–1936; Pfälzer Anzeiger, 1936–1939.

Literatur

Wolfgang Junglas, 60 Jahre Deutsche Weinkönigin. Frankfurt a. M. 2008. In diesem Jubiläumsbuch wird ohne einschlägige Quellenforschung die Entstehungslegende der „Deutschen Weinkönigin“ unreflektiert wiedergegeben.

Christof Krieger, Die Taufe des „Rassereinen“ Rebensaftes und die verlorene Unschuld der „Deutschen Weinkönigin“. Das Neustadter Weinlesefest als Kristallisationsort nationalsozialistischer Volksgemeinschaft, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Hierbei handelt es sich um die bislang erste wissenschaftliche Veröffentlichung zur Entstehungsgeschichte der „Deutschen Weinkönigin“ im „Dritten Reich“.

Christof Krieger, Gertrud Basten, die erste und einzige „Weinkönigin der Westmark“. Ein Winzermädchen aus Mehring zog 1935 im Triumphzug in die Reichshauptstadt Berlin ein, in: Jahrbuch Kreis Trier-Saarburg 47, 2019, 171–182. Der Autor stellt in diesem Aufsatz ein bislang völlig unbekanntes Kapitel zur Geschichte der Weinköniginnen in Deutschland vor.

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