von Sarina Hoff
Im Versailler Friedensvertrag wurde festgelegt, dass die linksrheinischen Gebiete als Garantie für die deutsche Einhaltung der Vertragsbedingungen zehn bis, wie im Fall der Pfalz, fünfzehn Jahre durch alliierte (das hieß in der Pfalz: französische) Truppen besetzt bleiben sollten. Die Bedingungen dieser Besatzung legte das Rheinlandabkommen 1919 fest, welches es der Interalliierten Rheinlandkommission beispielsweise ermöglichte, „Ordonnanzen“, d. h. Verordnungen mit Gesetzeskraft, zu erlassen, soweit dies für die Bedürfnisse und die Sicherheit der Besatzungstruppen nötig war. Zwar blieben die deutschen Verwaltungsorgane bestehen, wurden von den französischen Besatzungsbehörden jedoch recht eng kontrolliert. Dass diese Kontrolle durch den „Erbfeind“, als der Frankreich ja in der nationalistischen Stimmung der vorangegangenen Jahrzehnte gezeichnet worden war, bei der einheimischen Bevölkerung auf Widerwillen stieß und es auch in Neustadt zu Reibungen und Zusammenstößen zwischen Pfälzern und Angehörigen der französischen Truppen kam, ist naheliegend. Die Empörung über Übergriffe oder Vergewaltigungen durch die Besatzer förderte anti-französische Ressentiments – unabhängig davon, wie häufig oder selten solche Vorfälle tatsächlich waren und ob der Verdacht gegen die Soldaten berechtigt war. Zudem erschien den Neustadterinnen und Neustadtern die französische Militärjustiz, die auch für die Ahndung von gegen Besatzungsangehörige begangenen Vergehen zuständig war, oft intransparent, einseitig und willkürlich. Eine besondere Belastung für die Stadt war die Unterbringung der Besatzungstruppen – Neustadt beherbergte eine Garnison von ca. 800 bis 1 000 Soldaten. 1926 beispielsweise waren hierfür noch rund 150 Wohnungen beschlagnahmt, was den Wohnungsmangel vor Ort verschärfte. Vor allem anfänglich und in der angespannten Situation der Ruhrkrise 1923 waren der Waren- und Rohstoffaustausch mit dem unbesetzten Gebiet erschwert oder zeitweise völlig unmöglich, was vielen Neustadter Unternehmen große wirtschaftliche Schwierigkeiten bereitete. Vor diesem Hintergrund bildete die Erfahrung der Besatzungszeit einen der wesentlichen Faktoren, warum die NSDAP in der Pfalz und namentlich in Neustadt früh große Erfolge feiern konnte.
Quellen
Rheinlandabkommen vom 28. Juni 1919, in: Das Rheinlandabkommen und die Ordonnanzen der Interalliierten Rheinlandkommission in Coblenz, Berlin 1924, 5–10 (digitalisiert durch das Landesbibliothekszentrum Koblenz, urn:nbn:de:0128-1-75641).
Zur Zahl der beschlagnahmten Wohnungen bzw. dem Wohnungsmangel in Neustadt vgl. Stadtarchiv Neustadt Stadtratsprotokolle, Sitzung vom 03.02.1926, 295f. und Sitzung vom 20.12.1929, 492.
Literatur
Helmut Gembries, Verwaltung und Politik in der besetzten Pfalz zur Zeit der Weimarer Republik. Kaiserslautern 1992. Umfassendste Darstellung und Standardwerk zur Pfalz unter französischer Besatzung.
Wilhelm Kreutz/Karl Scherer (Hrsg.), Die Pfalz unter französischer Besetzung (1918/19–1930). Kaiserslautern 1999. Die Beiträge in diesem Sammelband behandeln sowohl die außenpolitischen Hintergründe der Besatzung als auch verschiedene Aspekte der Kultur-, Alltags- und Wirtschaftsgeschichte der Pfalz jener Jahre.