von Dominic Potts und Markus Raasch
Die in der Pfalz aus der Bayerischen Politischen Polizei hervorgegangene Geheime Staatspolizei (Gestapo) war das zentrale Instrument zur Verfolgung all jener, die nicht mit dem NS-Regime und seiner Idee von Volksgemeinschaft einverstanden waren. Zu ihren Aufgaben zählten dementsprechend neben der Spionageabwehr die Bekämpfung politisch Missliebiger sowie angeblicher „Gemeinschaftsfremder“ wie „Homosexuelle“, „Asoziale“ oder abtreibende Frauen. Hierzu sicherte sich die Gestapo die Mitarbeit des SD („Sicherheitsdienst“), des Geheimdienstes der SS, der städtischen Schutzpolizei und vieler willfähriger „Volksgenossinnen“ und „Volksgenossen“, die ihr bei Bespitzelungen und Festnahmen immer wieder Unterstützung zuteilwerden ließen. Die Gestapo durfte anfänglich lediglich Inhaftierungen durchführen, jedoch konnte sie Betroffene nach einer solchen Inhaftierung zur „Schutzhaft“ in ein Konzentrationslager verlegen. Legitimiert wurde dies vor allem durch die sog. Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933. Im Laufe der Zeit erhielt die Gestapo immer mehr Kompetenzen, sodass sie etwa „verschärfte Verhöre“ durchführen und Gefangene beschimpfen, erniedrigen und bedrohen oder mit Gummiknüppel, Peitsche, Stock oder anderen Gegenständen schlagen konnte. Am 5. Januar 1937 wurde in der Gauhauptstadt Neustadt an der Weinstraße eine Staatspolizeistelle der Geheimen Staatspolizei mit Zuständigkeit für alle pfälzischen Polizeidienststellen gegründet. Ihr Leiter war Dr. Otto Bradfisch. Zum Höhepunkt der Besetzung arbeiteten in der heutigen Konrad-Adenauer-Straße 112 hauptamtliche Mitarbeiter. Es ist davon auszugehen, dass sich bei der Neustadter Gestapo zwischen 1937 und 1943 insgesamt ca. 3 618 Inhaftierte befanden. Die Zahl der Exekutionen wird auf etwa 20 geschätzt. Obwohl die Neustadter Polizeibehörde im Sommer 1941 im Rahmen einer reichsweiten Strukturreform der Gestapo-Stelle Saarbrücken unterstellt wurde und fortan nur noch den Rang einer Außenstelle besaß, war Neustadt auf diese Weise lange Jahre das Epizentrum des regionalen Verfolgungs- und Repressionsapparats.
Literatur
Matthias Gemählich, „Nicht willens genug, seine unnatürliche Veranlagung zu bezähmen“. Die Verfolgung von Homosexuellen, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Aufsatz gibt am Beispiel einer wichtigen Verfolgtengruppe sehr anschaulich Einblick in die Arbeitsweise der Neustadter Gestapo.
Walter Rummel, Das Zentrum des Schreckens. Zur Tätigkeit der Geheimen Staatspolizeistelle Neustadt in der Pfalz 1937–1945, in: Pia Nordblom u. a. (Hrsg.), Josef Bürckel. Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz. Kaiserslautern 2019, 85–112. Der Aufsatz erhellt Entstehung, Organisation und Vorgehensweise der Neustadter Gestapostelle.