„Homosexuelle"

Erkennungsdienstliche Aufnahmen des 23-jährigen Neustadters Ludwig Lang nach seiner Festnahme wegen Verstoßes gegen den § 175, 24. April 1938. Foto: Landesarchiv Speyer, H91, 5265.

von Matthias Gemählich

In NS-Deutschland gehörten Homosexuelle zu den Menschen, für die in der durch das Regime propagierten Volksgemeinschaft kein Platz war. Der noch aus der Kaiserzeit stammende § 175 des Reichsstrafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen männlichen Personen unter Strafe stellte, wurde 1935 verschärft. Danach kam es zu einer massiven, reichsweiten Verfolgung homosexueller Männer durch Polizei und Justiz, die in den Jahren 1937 und 1938 ihren Höhepunkt erreichte. Insgesamt wurden während der NS-Zeit etwa 53 000 Männer nach dem § 175 gerichtlich verurteilt und mussten danach teils langjährige Haftstrafen verbüßen. Schätzungsweise bis zu 15 000 wurden zudem in Konzentrationslagern inhaftiert, in denen ein großer Teil von ihnen ums Leben kam. In Neustadt führte vor allem die dort Anfang 1937 eingerichtete Staatspolizeistelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Ermittlungen gegen homosexuelle Männer. Am Anfang der Ermittlungen standen meist Denunziationen aus der Bevölkerung oder Hinweise anderer Polizeistellen. Zahlreiche homosexuelle Männer aus Neustadt wurden in der Folge zu Gefängnisstrafen verurteilt und ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Mehrere von ihnen wurden in ein Konzentrationslager eingewiesen und überlebten die Haft dort nicht. Gesicherte Feststellungen über die Schicksale homosexueller Frauen aus Neustadt lassen sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand kaum machen. Da weibliche Homosexualität nicht unter Strafe stand, existieren keine Polizei- oder Gerichtsakten, die hierüber Auskunft geben könnten, und auch andere Quellen liegen bislang nicht vor.

Quellen

Landesarchiv Speyer Bestand H91. Der gesamte Bestand umfasst 12 175 personenbezogene Akten der Gestapo-Staatspolizeistelle Neustadt an der Weinstraße, von denen 225 vermutete Verstöße gegen den § 175 betreffen.

Literatur

Jochen Dollweit, Zur Verfolgung männlicher Homosexueller, in: Hans-Georg Meyer u. a. (Hrsg.), Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Bd. 1: „Eine nationalsozialistische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit.“ Mainz 2000, 346–356. Dieser Aufsatz gibt einen Überblick über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in der Pfalz.

Insa Eschebach (Hrsg.), Homophobie und Devianz. Weibliche und männliche Homosexualität im Nationalsozialismus. 2. Aufl. Berlin 2012. Die Beträge in diesem Sammelband fassen den Forschungs- und Diskussionsstand zum Thema Homosexuellenverfolgung in der NS-Zeit zusammen.

Burkhard Jellonek, Homosexuelle unter dem Hakenkreuz. Die Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich. Paderborn 1990. Diese Monographie zählt zu den ersten Arbeiten, in denen die nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung erforscht wurde. Sie befasst sich auch mit der Verfolgungssituation in der Pfalz.

Günter Grau (Hrsg.), Lexikon zur Homosexuellenverfolgung 1933–1945. Institutionen – Personen – Betätigungsfelder. Berlin 2001. Dieses Nachschlagewerk bietet eine Vielzahl von Erläuterungen zu Namen und Begriffen, die für das Thema Homosexuellenverfolgung relevant sind.

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