Gesangvereine

Stimmauszug der Hymne „Treuschwur für Adolf Hitler“, die von Karl E. Maasch (Lambrecht bei Neustadt) geschrieben und unter seiner Leitung 1933 in Neustadt mit Chor und Orchester aufgeführt wurde. Foto: Stadtarchiv Neustadt, A5612.

von Katja Schmaglinski

Zwischen 1933 und 1945 wurde dem Chorgesang eine große Bedeutung für die NS-Volksgemeinschaft attestiert. Aufgrund des gesungenen Textes eignete sich Vokalmusik besonders gut zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts. Auch betonten die Nationalsozialisten vielfach das gemeinschaftsstiftende Potential des chorischen Musizierens und nutzten es gezielt für eigene Zwecke. Im Zuge der „Gleichschaltung“ wurden die Neustadter Gesangvereine zwar nicht aufgelöst, aber immer stärker durch die nationalsozialistische Ideologie vereinnahmt. Unterschiedliche Organisationsinstanzen, die letztlich alle der Reichsmusikkammer untergeordnet waren, wirkten auf die Gesangvereine ein, so z. B. der „Sängergau Westmark“ als regionale Organisationsstruktur des Deutschen Sängerbundes oder auch der Städtische Musikbeauftragte. Die Nazifizierung erfolgte hierbei einerseits durch das Einwirken auf das Liedgut, indem bspw. „Gratischöre“ (kostenlose Noten) verteilt oder „(Gemeinschafts-)Pflichtchöre“ (Pflichtrepertoire) bestimmt wurden. Andererseits wurden die Neustadter Sänger, insbesondere in den Rundschreiben des dritten Städtischen Musikbeauftragten Karl Wagner, zur Teilnahme an gemeinschaftlichen musikalischen Aktivitäten, wie z. B. der Umrahmung nationalsozialistischer Feierlichkeiten, verpflichtet. Hierzu fasste Wagner oftmals alle Sänger Neustadts zu einem „Massenchor“ zusammen.
Auch bei überregionalen sängerischen Großereignissen, wie etwa den Feierlichkeiten anlässlich des 75-jährigen Jubiläums des Deutschen Sängerbundes (Breslau 1937) waren Neustadter Sänger dabei: Sie traten dort u. a. in einem Massenchor auf, der sich aus 30 000 Sängern der Sängergaue Westmark, Sachsen und Schlesien zusammensetzte.

Quellen

Stadtarchiv Neustadt A 5612, 5613, 7798, 7799.

Literatur

Helmke Jan Keden, Kulturfassade und irrationale Ästhetik. Die Gleichschaltung des Chorwesens im Nationalsozialismus, in: Bernhard Müßgens u. a. (Hrsg.), Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft. Festschrift für Brunhilde Sonntag. Osnabrück 2001, 189–202. In diesem Artikel gibt Keden einen kurzen Überblick über die wichtigsten strukturellen Aspekte des Chorwesens in der NS-Zeit, indem u. a. das Verhältnis zwischen der 1933 gegründeten Reichsmusikkammer (RMK) und dem Chor- und Musikverbandswesen – hier vor allem dem Deutschen Sängerbund (DSB) – nachgezeichnet wird.

Helmke Jan Keden, Zwischen „Singender Mannschaft“ und „Stählerner Romantik“. Die Ideologisierung des deutschen Männergesangs im „Nationalsozialismus“. Stuttgart u. a. 2003. Diese Monographie befasst sich mit dem Verhältnis von Männergesang und Nationalsozialismus, wobei sowohl die „Gleichschaltung“ auf organisatorischer Ebene (Reichsmusikkammer, Deutscher Sängerbund) als auch ideologische Aspekte (Veränderung der chorpraktischen Arbeit und des Repertoires, Inszenierung des Männergesangs) anhand zahlreicher Quellen ausführlich analysiert werden.

Linda Maria Koldau, Musik im Nationalsozialismus, in: Werner Faulstich (Hrsg.), Die Kultur der 30er und 40er Jahre. München 2009, 209–232. Im vorliegenden Sammelband deckt dieser Artikel den Bereich der Musik ab, wobei vor allem die Aspekte des Ge- und Missbrauchs von Musik durch den Nationalsozialismus sowie die Erweiterung des Repertoires durch ideologietreue Neukompositionen thematisiert werden.

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