„Asoziale“ und „Berufsverbrecher"

von Miriam Breß

In der Ideologie der NS-Volksgemeinschaft wurde das einzelne Individuum, solange es als „deutschblütig“ galt, zum „Volksgenossen“. Dessen Wert bemaß sich nach seinem Nutzen für die Volksgemeinschaft. Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – nicht in den Dienst dieser stellte oder z. B. durch Sozialverhalten, Arbeitsleistung und/oder „Kriminalität“ negativ auffällig wurde, galt schnell als „nutzlos“, „minderwertig“ oder gar „schädlich“ und konnte aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen werden. Vermehrt wurden die Betroffenen als „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ diffamiert, wobei beide Begriffe einer weiten Definition unterlagen und beliebig ausdifferenziert werden konnten. Die sozialrassistisch und „kriminalpräventiv“ motivierten Verfolgungen waren in Neustadt und Umgebung vielfältig. Zunächst wurden im September 1933 vor allem Männer verhaftet, die bettelten. Mitte der 1930er Jahre standen hingegen Personen im Fokus der Verfolgung, die in Fürsorge standen oder dieser „anheimfallen konnten“. 1938 kam es mit der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ zu einer reichsweiten Verhaftungswelle von sog. „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“, wobei diese von Gestapo und Kriminalpolizei durch die Instrumente der „Schutz-“ und „Vorbeugehaft“ in Konzentrationslager verschleppt wurden. Inwieweit dabei Personen aus Neustadt und Umgebung betroffen waren, ist nicht bekannt. Die Verbringung von als „asozial“ diffamierten Personen mit den Mitteln der „Schutz-“ und „Vorbeugehaft“ in die Konzentrationslager wurde auch schon vor der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ genutzt, u. a. in Neustadt und Umgebung. Viele der Betroffenen starben in den Konzentrationslagern. Als Opfer des Nationalsozialismus wurden sie erst 2020 anerkannt.

Quellen

Stadtarchiv Neustadt 5768, 5769, A5624; Landesarchiv Speyer H41 176.

Literatur

Wolfgang Ayaß, „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart 1995. Der Autor legt eine umfassende Studie zur sozialrassistischen Verfolgung vor.

Annette Eberle, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“. Dachau als Ort der „Vorbeugehaft“, in: Wolfgang Benz/Angelika Königseder (Hrsg.), Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Berlin 2008, 253–268. Der Aufsatz fokussiert die Häftlingsgruppe der „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“ im Konzentrationslager Dachau.

Julia Hörath, „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938. Göttingen 2017. Die Autorin legt eine umfassende und aktuelle Studie vor.

Christoph Sachße/Florian Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 3: Der Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus. Stuttgart u. a. 1992. Die Autoren beschäftigen sich mit der Armenfürsorge im Nationalsozialismus.

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