von Barbara Jahn
Im Jahr 1922 übernahm der Psychiater Josef Klüber (1873–1936), vormals Oberarzt der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, die Leitung der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster, deren Direktor er bis 1935 bleiben sollte. Obwohl Klüber zu Beginn des „Dritten Reichs“ aufgrund seiner deutschnationalen Haltung den neuen Machthabern teilweise ablehnend gegenüberstand, stellte er sich und seine Anstalt bereitwillig in den Dienst der NS-Gesundheitspolitik. Immer wieder nahm er hierfür wie etwa im Januar 1934 in München an teilweise mehrtätigen erbbiologischen und rassehygienischen Schulungskursen teil. Insbesondere die Einführung des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 begrüßte Klüber von Anfang an nachdrücklich und zeigte bei dessen Umsetzung größtes Pflichtbewusstsein. Von den allein in den Jahren 1934 und 1935 durch die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster erfolgten 3 550 Anträgen zur Unfruchtbarmachung waren mindestens 20 Patientinnen und Patienten aus Neustadt und Umgebung betroffen. Für neun dieser Anträge zeichnete nachweislich Josef Klüber selbst verantwortlich. Darüber hinaus betätigte er sich als ärztlicher Beisitzer an den Verhandlungen der pfälzischen Erbgesundheitsgerichte in Frankenthal und Zweibrücken. Ab Juni 1934 öffnete Klüber die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster als „Demonstrationsstätte für Erb- und Geisteskranke“ für öffentliche Führungen und vererbungskundliche Lehrgänge, die starken Zulauf fanden.
Quellen
Landesarchiv Speyer O46; Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. Vom 14. Juli 1933, in: Reichsgesetzblatt Teil I 86, 1933, 529–531.
Literatur
Christoph Bayer, Von der „Kreis-Irrenanstalt“ zum Pfalzklinikum. Eine Geschichte der Psychiatrie in Klingenmünster. Kaiserslautern 2009. Die Monographie zeichnet detailliert die Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster vom 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre nach. Im Mittelpunkt steht hierbei die Anstaltspraxis aus Sicht sowohl von Patientinnen und Patienten als auch der in der Heil- und Pflegeanstalt Tätigen.
Karl Scherer u. a., Psychiatrie im Nationalsozialismus. Die Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster 1933–1945. Kaiserslautern 1998. Das Buch gibt einen umfassenden Überblick über die Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt in der Zeit des Nationalsozialismus, insbesondere auch zur Tätigkeit Josef Klübers als Anstaltsleiter in den Jahren 1933 bis 1935 und seiner Haltung dem NS-Regime gegenüber.
Theo Wieder (Hrsg.), NS-Psychiatrie in der Pfalz. Eine Wanderausstellung des Pfalzklinikums und des Bezirksverbandes Pfalz. Klingenmünster 2012. Der Begleitband zur gleichlautenden Wanderausstellung gibt mit Fokus auf der Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster durch kurze Texte einschließlich Betroffenenporträts einen Überblick über die pfälzische Psychiatriegeschichte und bietet zahlreiches Bild- und Dokumentenmaterial.