von Albert H. Keil
Die Brüder Hans Keil (1913–2006) und Hermann Keil jr. (1918–1998) waren Söhne des Katholiken Hermann Keil sen. (1880–1962) und der Jüdin Helene geb. Unrich (1888–1975). Sie lebten in Mußbach und mussten dort nach 1933 erleben, wie ihre Welt zerbrach. Noch im Jahr der „Machtergreifung“, direkt nach dem ersten Semester, wurde Hans von der Wirtschaftshochschule Mannheim verwiesen, wo er ein Studium zum Diplomkaufmann aufgenommen hatte. 1937 folgte unmittelbar nach dem Abitur das Studierverbot für den jüngeren Bruder Hermann, der Augenarzt hatte werden wollen. Ihr Vater Hermann Keil sen. hatte das Haushaltswarengeschäft, das sein jüdischer Schwiegervater 1886 gegründet und bei seinem frühen Tod 1897 hinterlassen hatte, ab 1908 zu einer Großhandlung für Flaschen und Kellereibedarf ausgebaut; der überkommene Firmenname „Albert Unrich“ war beibehalten worden. Um nicht die Änderung in „Albert Israel Unrich“ vollziehen zu müssen, wählte die Familie Ende der 1930er Jahre den Namen „Hermann Keil & Söhne“. Trotzdem sah sich Hermann Keil sen. kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wegen der zunehmenden Repressalien und der fortschreitenden Kundenverluste gezwungen, das Geschäft zu verkaufen. Im Oktober 1940 wurden im Zuge der Bürckel-Wagner-Aktion alle zwölf noch in Deutschland verbliebenen jüdischen Verwandten Helene Keils zunächst ins südfranzösische Lager Gurs deportiert; einige kamen schon dort zu Tode, die zunächst Überlebenden wurden später in anderen Lagern ermordet. Helene Keil verdankte ihr Leben ihrem katholischen Ehemann; er lehnte es ab, sich von ihr scheiden zu lassen, so dass sie nur mit einem unbefristeten Ausgehverbot belegt wurde. Die Schikanen gipfelten 1943 in einem brutalen Überfall von vier Mußbacher SS-Angehörigen auf das Haus Keil, bei dem sämtliche Familienangehörige schwere Verletzungen davontrugen. Am 20. April 1944 wurden Hans und Hermann nach Frankreich deportiert, wo sie in den unterirdischen Kalksteinbrüchen von Cravant-sur-Yonne, Zwangsarbeit verrichten mussten. Bei einem alliierten Luftangriff gelang ihnen im August 1944 die Flucht. Sie arbeiteten etliche Wochen als Dolmetscher für die Résistance und die Alliierten, ehe sie als angebliche deutsche Spione denunziert und für fast ein Jahr inhaftiert wurden. Erst zwei Monate nach Kriegsende wurden sie freigelassen und kehrten im Sommer 1945 auf abenteuerlichen Wegen nach Mußbach zurück. Dort waren sie auch nach dem Ende des „Dritten Reiches“ immer wieder antisemitischen Beleidigungen und sogar Übergriffen ausgesetzt.
Literatur
Albert H. Keil, „Zu Hilfe kam [uns] niemand.“ Mußbach und die „braune Pest“, in: Marita Hoffmann/Bernhard Kukatzki (Hrsg.), „Im Morgengrauen des 18. März 1945 herrschte noch Totenstille.“ Zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Pfalz. Ludwigshafen 2016, 98–103. Essayistische, gleichwohl quellenbasierte Auseinandersetzung eines „nachgeborenen Zeitzeugen des Holocaust“ mit der Verfolgungsgeschichte des Neustadter Ortsbezirks Mußbach.
Hannes Ziegler, Unterdrückung, Verfolgung und Vernichtung, in: Paul Habermehl/Hilde Schmidt-Häbel (Hrsg.), Vorbei – niemals ist es vorbei. Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt. Neustadt a. d. W. 2005, 103–136. Grundlegender Aufsatz zur Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Neustadt.