Sauer, Heinrich Maria (Stadtarchivar)

von Gerhard Wunder

Heinrich Maria Sauer, 1894 in Mannheim geboren, heiratete 1922 in Neustadt, zog dort sieben Kinder groß und starb 1971. Als Beruf gab er bei der Eheschließung „Schriftsteller“ an, für das Adressbuch 1925 sogar „Aegyptologe“, obwohl er nie studiert hatte. Seit 1924 wohnte er ständig in Neustadt, seit dem Krieg in der Landschreibereistraße 1. Seine finanziellen Verhältnisse waren 1928 so prekär, dass er seinen Mitgliedsbeitrag bei der NSDAP „wegen Armut nicht weiterzahlen“ konnte und ausschied. 1937 trat er lediglich der Deutschen Arbeitsfront (DAF) bei, so dass die Entnazifizierungskommission 1946 „Belassung im Dienst“ entschied. Die Stadt stellte Sauer aus sozialen Gründen 1932 bis 1934 und wieder 1936 als Hilfskraft für Vervielfältigungen und die Registratur ein, wo er sich hauptsächlich um das Archiv kümmerte. Dieses war bis 1924 ehrenamtlich von Gymnasialprofessor Karl Tavernier betreut worden und dann jahrelang geschlossen, damit es das Staatsarchiv Speyer in Ruhe ordnen konnte. Sauer lagerte die wichtigsten Archivalien 1939 bis 1949 vom Speicher des Rathauses in den bombensicheren Nordturm der Stiftskirche aus. 1942 schrieb der Oberbürgermeister über das Archiv, dass „ausser Sauer darüber niemand Bescheid weiss“. Obwohl Sauer also faktisch zum „Stadtarchivar“ geworden war und die Presse ihn auch so nannte, durfte er selbst diesen Titel nie führen und blieb einfacher Angestellter. Sauer war eigensinnig und legte sich oft mit Vorgesetzten, Kollegen und Wissenschaftlern an, bis er wegen „Krankheit“ 1958 vorzeitig aus dem Dienst schied. Er veröffentlichte 1928 bis 1971 mehrere hundert Artikel über die Neustadter Umgebung, aber keinen einzigen über die NS-Zeit. Als Zeitgenosse stellte er jedoch zwei umfangreiche Chroniken der Jahre 1933 und 1936 bis 1938 zusammen, die Paul Habermehl bei seinen Forschungen zum Heimatmuseum 1983/84 bei den Erben Sauer entdeckte und später in Kopien dem Stadtarchiv überließ. Sie sind in der Sprache der NS-Zeit verfasst, inhaltlich zuverlässig und bisher nicht ausgewertet.

Quellen (alle im Stadtarchiv Neustadt):

Adressbücher von 1920, 1925, 1938, 1950, 1954, 1970.

Heiratsbuch 1922, 283. Randeinträge für zehn Kinder, eines doppelt, zwei früh gestorben.

Personalakte Sauer und Personenmappe Sauer. Würdigungen der Presse, Streit mit Nachfolgern Dr. Georg Friedrich Böhn (1959–1963) und Dr. Rudolf Lembcke (1963–1970).

Literatur

Die Rheinpfalz, passim, u. a. 10.03.1954, Sauer schrieb „über 1000 Artikel“. 16.06., 22.06. und 02.07.1966, Sauer und Lembcke über die Geschichte des Stadtarchivs. 13.11.1971, Nachruf und Todesanzeige Sauer. 10.03.1984, Habermehl über Sauer und seine zwei Chroniken.

Rheinland-Pfälzische Bibliographie, https://rpb.lbz-rlp.de/cgi-bin..., Aufruf zuletzt am 20.06.2020. Stichwort „Verfasser: Heinrich Maria Sauer“. Die Liste mit 320 Titeln ist nicht ganz richtig und nicht vollständig. Sauers „Chronik…Kampfjahr 1933“ trägt auf Seite 1 das Datum 01.04.1938, in der Pfälzischen Landesbibliothek Speyer die Signatur 4a1733 und im Stadtarchiv Neustadt II 189, 190 und 191. Die „Chronik…1936, 1937, 1938“ ist in Speyer nicht vorhanden, im Stadtarchiv doppelt unter II 187 und II 188.

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