Bearbeitung durch Katharina Kaiser

1.5 Die „Schutzhaft" als Instrument zur Herstellung der „Volksgemeinschaft"? Das Beispiel des Pfarrers Jakob Martin aus Königsbach

Neben dem (frühen) Konzentrationslager gab es in Neustadt weitere Orte, an denen „Schutzhäftlinge“ untergebracht wurden. So konnte die „Schutzhaft“ auch in Polizei- und Amtsgerichtsgefängnissen, in sogenannter „Zimmerhaft“ zu Hause oder auch im städtischen Krankenhaus vollzogen werden. Einer dieser „Schutzhäftlinge“ war der katholische Pfarrer Jakob Martin aus Königsbach, in dessen Pfarrhaus in der Nacht des 23. Juni 1933 eingebrochen und der anschließend unter anderem von der SS für drei Tage im Neustadter Gefängnis in der Lindenstraße in „Schutzhaft“ genommen wurde. Martin war im Vorfeld für seine öffentliche Kritik an der NSDAP bekannt geworden. Über den Ablauf seiner gewaltsamen „Inschutzhaftnahme“ verfasste der Pfarrer einen detailgenauen und vollständig überlieferten Bericht, dessen Betrachtung in diesem Unterkapitel im Zentrum stehen wird. Du erfährst so, wie Martin seine „Inschutzhaftnahme" erlebte und kannst das Instrument der „Schutzhaft" in den Kontext der Etablierung der NS-Diktatur im Jahr 1933 einordnen.

1. Der Bericht der „Inschutzhaftnahme" des Pfarrers Jakob Martin aus Königsbach im Jahr 1933

Der Bericht des Pfarrers Jakob Martin über seine „Inschutzhaftnahme" im Jahr 1933 ist im Stadtarchiv Neustadt erhalten, anbei ausgewählte Auszüge.

Aufgaben

  1. Lies dir zunächst M1-M5 aufmerksam durch und fasse die Ereignisse rund um die "Inschutzhaftnahme" des Pfarrers Martin im Juni 1933 in eigenen Worten zusammen.

    Tipp: Nähere Informationen zur Rolle der Kirche im Nationalsozialismus und auch zu Pfarrer Martin findest du im Unterkapitel 2.3.


  2. Höre im Anschluss die Tondokumente M1-M5. Beschreibe, inwiefern sich deine persönlichen Wahrnehmungen der Text- sowie der im Nachhinein vertonten Schriftquelle unterscheiden.

    Tipp: Bei den Dokumenten handelt es sich lediglich um Ausschnitte des Berichts von Pfarrer Jakob Martin. Die längere Version des Berichts kannst du als Vertiefungsangebot lesen und, bei Interesse, auch die szenische Lesung in Gänze nachgesprochen hören.

Aufgaben

  1. Nimm ausgehend von deinen Erkenntnissen aus Aufgabe 2 kritisch Stellung, ob die nachträgliche Vertonung einer langen Schriftquelle eine legitime Art der Quellenpräsentation oder eine unzulässige Fälschung ist.
  2. Diskutiere, ob und gegebenenfalls in welcher Weise im Zuge der Einführung digitaler Geschichtslehrwerke Vertonungen von Schriftquellen häufiger eingefügt werden sollten.
  3. Bewerte ausgehend von den Schilderungen des Pfarrers Martin die Darstellung der Königsbacher Bevölkerung während seiner "Inschutzhaftnahme". Zähle hierzu zunächst auf, welche Personen im Bericht genannt wurden. Ordne im Anschluss ihre Funktion im Kontext einer Herstellung der Volksgemeinschaft ein.

2. Der Pfarrer Jakob Martin in der Königsbacher Erinnerung

M7: Von Königsbacher Bürger*innen im Jahr 1989 gespendete Gedenkplatte zur Erinnerung an Jakob Martin

Die Gedenkplatte befindet sich seitlich der katholischen Pfarrkirche St. Johannes in Königsbach und wurde über eine Spendenaktion vor Ort im November 1989 dort angebracht.

M10: Bild des im August 2019 nach Pfarrer Jakob Martin umbenannten Kirchplatzes in Königsbach

Im August 2019 wurde dem Pfarrer Jakob Martin in einer Gedenkfeier öffentlich gedacht. Die Königsbacher Kirche benannte den Kirchplatz nach ihm und enthüllte im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten auch das neue Schild.

M11: Der Pfarrer Jakob Martin in der Erinnerung eines Zeitzeugen im Jahr 2018

Ausschnitt eines 2018 geführten Zeitzeugengespräches mit Günther Haas (*1930, Neustadt).

Mehr Gesprächsausschnitte findest du im Zeitzeug*innenarchiv. Alle Gespräche wurden in den Jahren 2018 und 2019 in Neustadt aufgezeichnet. Die Namen der Zeitzeug*innen wurden pseudonymisiert2.

Aufgaben

  1. Erläutere ausgehend von den Quellen M6-M10, in welcher Form dem Pfarrer Jakob Martin in Königsbach gedacht wurde und wird.
  2. Stelle dir vor, die 1989 an der St. Johannes Kirche angebrachte Gedenktafel (M7) soll in Zukunft mit einem QR-Code versehen werden, über den eine Verlinkung auf die Website des Ortsteils Königsbach erfolgt. Erläutere, welche weiterführenden Inhalte du auf der Website hinterlegen würdest.
  3. Anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten rund um die Enthüllung des Straßenschildes "Pfr.-Jakob-Martin-Platz" in Königsbach im August 2019 trugen zwei Kommunionkinder das Gedicht „Was keiner wagt“ (M9) vor. Bewerte die Auswahl des Gedichtes im Kontext des Gedenkens an Pfarrer Martin.
  4. Bewerte die Aussagen des Zeitzeugen in M11 unter Bezugnahme auf deine Erkenntnisse aus dem vorliegenden Unterkapitel.
  5. Diskutiere am Beispiel des Pfarrers Martin, welche Rolle das Instrument der "Schutzhaft" für die Herstellung der Volksgemeinschaft in Neustadt spielte.

    Tipp: Nähere Informationen zum Pfarrer Jakob Martin findest du im Unterkapitel 2.3. Auch im Lexikon kannst du zur Bedeutung Königsbachs in der NS-Zeit weiterlesen.
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