Mutterkreuz

Verleihung des Mutterkreuzes 1939. Foto: Fotosammlung Hubert Eckel.

von Markus Raasch

War der Muttertag seit 1934 fester Bestandteil des nationalsozialistischen Feierjahres, so bot er seit 1939 Anlass für die Verleihung des „Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter“. Mindestens vier Kinder versprachen ein Mutterkreuz (für vier Kinder gab es das bronzene, für sechs das silberne und für acht Kinder das goldene Mutterkreuz), das der Trägerin keine geldwerten Vorteile, aber die gleichen Ehrenrechte wie einem ausgezeichneten Militär verlieh, z. B. Bevorzugungen bei Behördengängen, Veranstaltungen, Bahnfahrten sowie der Altersversorgung. Grundsätzlich wurden die Ehrenkreuze „im ganzen Reich einheitlich am Muttertag durch die Ortsgruppenleiter der NSDAP ausgehändigt, an die unter 60 Jahre alten Mütter ausnahmsweise am Erntedankfest 1939.“ Die Übergaben sollten „zu einem herrlichen Festtag“ werden und verlangten deshalb eine gründliche Vorbereitung. Die Kreisleitung der NSDAP in Neustadt ließ in dieser Hinsicht keine Zweifel aufkommen und forderte „Gesangsvorträge von Vereinen oder Kinderchöre[n], Streichmusik, Kinderreigen [und] Gedichtvorträge“. In der Stadt Neustadt waren 1939 insgesamt 86 Frauen für das Goldene, 123 für das Silberne und 290 für das Bronzene Mutterkreuz vorgeschlagen worden. In den Kriegsjahren kamen dann jährlich zwischen neun und 15 Frauen auf die Liste des bronzenen Mutterkreuzes, höchstens sechs wurden für das silberne Mutterkreuz vorgeschlagen, im Schnitt zwei Frauen sollten mit dem Goldenen Mutterkreuz bedacht werden. Die Mutterkreuzverleihung steht für die konservativen Züge der nationalsozialistischen Geschlechterpolitik, aber vor allem auch für das Bemühen um Aussonderung angeblich unwerten Lebens. Sie verlangte mithin eine amtsärztliche Untersuchung, eine politische Überprüfung sowie den Nachweis über die „arische“ Abstammung. In den Vergaberichtlinien des Mutterkreuzes hieß es unverblümt: „Eine der wichtigsten und verantwortungsvollsten Tätigkeiten bei den Vorarbeiten zur Verleihung des Ehrenkreuzes der deutschen Mutter ist die Auslese“. Sodann zogen die Mutterkreuzverleihungen einen gewaltigen Begutachtungsapparat mit sich, an dem Parteistellen, Bürgermeisterämter, Polizei, Sozial- und Gesundheitsbehörden teilhatten. Frauen wurden bis aufs Mark durchleuchtet, im Hinblick auf ihre Erbanlagen, ihre Lebensführung sowie ihre Kinder bewertet und kategorisiert. Negativgutachten wurden gesammelt und bildeten für die Verhängung von Zwangssterilisationen oder die Ermordung im Rahmen der „Euthanasie“-Programme wichtige Grundlagen.

Quellen

Kreisleitung der NSDAP, Rundschreiben, 04.05.1939, Stadtarchiv Neustadt (StANW) Ortsarchiv Haardt 114.

Vorschlaglisten für die Verleihung des Ehrenkreuzes für die Deutsche Mutter, StANW A5632.

An alle mit dem Vollzug betreffend das Ehrenkreuz der deutschen Mutter befaßten Dienststellen, 20.02.1939, StANW A5632.

Anträge und Gutachten, StANW A5632 u. Landesarchiv Speyer H41 153.

Literatur

Irmgard Weyrather, Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die „deutsche Mutter“ im Nationalsozialismus. Frankfurt a. M. 1993. Das Buch erhellt am Beispiel des Mutterkultes, wie das NS-Regime (pseudo-)konservative Geschlechter- und Exklusionspolitik verband.

Markus Raasch, Die Mehrheit der Volksgemeinschaft. Der NS-Staat und die Frauen, die Frauen und der NS-Staat, in: Ders. (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Aufsatz beleuchtet am Beispiel Neustadts die Geschlechterpolitik des Nationalsozialismus und die „agency“, die Frauen vor diesem Hintergrund entwickeln konnten. Die Mutterkreuzverleihungen nehmen dabei einen prominenten Platz ein.

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