Reitz, Leopold

Leopold Reitz. Foto: Die Rheinpfalz, Archiv.

von Markus Raasch

Leopold Reitz wurde am 24. Juni 1889 als Sohn einer Winzerfamilie in Böbingen geboren. 1921 erhielt er eine Stelle als Volksschullehrer in Neustadt an der Haardt. Neben seinem Beruf schrieb er zahlreiche heimatkundliche Werke, die sich u. a. mit den kulturellen Aspekten von Wein und Weinbau beschäftigten. So wurde er recht schnell zur lokalen Berühmtheit. Von 1918 bis 1933 war Reitz Mitglied des „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“, zwischen 1933 und 1945 Mitglied und Ortsgruppenleiter im „Volksbildungsverband der Pfalz-Saar, Kampfbund für deutsche Kultur in der Westmark“, zudem Mitglied der NSDAP und der SA. Er trat wiederholt bei Propagandaveranstaltungen der Partei auf (1938 etwa als Nikolaus bei einem samt SA-Kapelle und einem Lebkuchen-Päckchen abwerfenden Flugzeug groß inszenierten Weihnachtsfest der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt) und bei Betriebsgemeinschaftsfeiern der städtischen Verwaltungen, wo er dann z. B. über den „Deutschen Frühling“ sprach. In diversen Verlautbarungen gerierte er sich als vehementer Verfechter „deutsche[r] Geistesart und nordische[n] Bluterbe[s]“. Ausdrücklich lobte er, dass das NS-Regime die Theater „gereinigt“ und „die verrotteten Kulissen der aus allem Möglichen Fremden zusammengemogelten Bastardstücke fortgefegt“ habe. Während des Krieges war er im Auftrag des „Volksbundes für das Deutschtum im Ausland“ an der radikalen, mit gigantischen Umsiedlungen, Zwangsadoptionen und massenhaften Tötungen verbundenen Germanisierungspolitik im vormaligen Polen beteiligt. 1943 ernannte der Neustadter Oberbürgermeister Reitz zum städtischen Kulturdezernenten. Nach Kriegsende wurde er im Zuge der „Entnazifizierung“ zunächst aus dem Schuldienst entlassen, seine Pensionsansprüche sollte er verlieren. 1948 wurde diese Entscheidung freilich in eine Geldstrafe abgemildert. 1949 durfte er mit reduziertem Gehalt in die Schule zurückkehren. 1954 ging er mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand. Im gleichen Jahr wurde er zum „Ritter der Deutschen Weinstraße“ und zum Ehrenbürger der Gemeinde Böbingen ernannt. 1954/55 war er Mitbegründer der Weinbruderschaft der Pfalz, deren erster Ordensmeister er von 1955 bis zu seinem Tod 1972 war. 1966 erhielt er „in Würdigung seiner Verdienste als Heimatdichter und Schriftsteller“ die Goldene Bürgermedaille der Stadt Neustadt, 1969 den deutschen Weinkulturpreis. Bereits 1959 war ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen wurden, weil er sich „seit Jahrzehnten um die Kultur des Weines verdient gemacht“ habe. Reitz starb am 19. August 1972 in Neustadt an der Weinstraße.

Quellen

Nikolausfest am 04.12.1938; Besprechung am 23.11.1938; Festfolge für die Betriebsgemeinschaftsfeier der städtischen Verwaltungen, 01.05.1941 (Morgenfeier), alle: Stadtarchiv Neustadt A5611.

Pfälzer Bürgerzeitung, 28.07.1933, 03.06.1933.

Schriftliche Begründung für Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Leopold Reitz, zit. nach Rudi Brenzinger, Eine Dokumentation der öffentlichen Rezeption von Leopold Reitz von 1933 bis in die Gegenwart. Böbingen 2018, 10.

Literatur

Gerhard Berzel/Liane Kloss, Leopold Reitz 1889–1972. Leben und Werk. Neustadt a. d. W. 1994. Stark aus Entnazifizierungsakten gearbeitetes Standardwerk, das wenig quellenkritisches Bewusstsein zeigt und daher teilweise hagiographische Züge trägt.

Rudi Brenzinger, Leopold Reitz. Vom Nazi-Funktionär zum Ehrenbürger und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Eine Dokumentation der öffentlichen Rezeption von Leopold Reitz von 1933 bis in die Gegenwart. Böbingen 2018. Engagierte, um empirische Triftigkeit bemühte Darstellung, die sich offensiv von den Biographen Berzel/Kloss abgrenzt.

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