Siebert, Wilhelm Hermann (Pfarrer)

von Helge Müller

Wilhelm Hermann Siebert wurde am 31. Oktober 1896 in Kaiserslautern geboren und starb am 23. Juli 1971 in Neustadt an der Weinstraße. Ab Wintersemester 1918 studierte er Evangelische Theologie, zunächst vier Semester in Heidelberg, für zwei Semester setzte er sein Studium in Marburg fort, um sich dann in Heidelberg nach dem siebten Semester zum Examen in Speyer zu melden. Dass er sich in der Pfalz sehr bald der theologisch-liberalen Mehrheit anschloss, wie sie seit der Gründung der Pfälzischen Union durch die Vereinigung der Reformierten und Lutheraner im Jahre 1818 bestand, ist durch seine Studienschwerpunkte nur folgerichtig. In der kirchenpolitischen Formation des Liberalismus – dem Protestantenverein – gehörte er sehr bald dem Vorstand an. 1925 bezog er seine erste Pfarrstelle in Münsterappel (Dekanat Rockenhausen), die er bis 31. Mai 1932 innehatte. In Kreisen der aufkommenden nationalsozialistischen Umtriebe erwarb sich Wilhelm Siebert frühzeitig einen schlechten Ruf, als er 1930 eine Trauung in SA-Uniform und mit Fahne verbot. Am 1. Juni 1932 trat Wilhelm Siebert als Pfarrer die Pfarrstelle 1 in Neustadt an der Haardt an. Der liberale Theologe Wilhelm Siebert war der pietistisch orientierten „Positiven Vereinigung“, der Minderheitsfraktion im Presbyterium, alles andere als willkommen. Es gelang ihm aber binnen kurzem, von der Gemeinde akzeptiert zu werden. Im Jahr 1933 oblag es ihm, die „Gleichschaltung“ des Presbyteriums mit seiner Unterschrift zu tragen. Das Jahr 1934 war für ihn eine äußerst kritische Zeit: Er wurde von seinen Kollegen Dekan Adam Jung und Pfarrer Philipp Schmidt bei der Kreisleitung wegen einer Predigt angezeigt und verleumdet. Der verleumderische Vorgang, der auch bei Parteigenossen auf heftige Ablehnung stieß, löste ein Dienststrafverfahren gegen die drei Neustadter Geistlichen Wilhelm Siebert, Adam Jung und Philipp Schmidt aus. Wilhelm Siebert wurde freigesprochen, Philipp Schmidt scharf gerügt und Dekan Adam Jung ging in Pension. Der ab 1935 in Neustadt amtierende Dekan Karl Otto Lischer, von Haus aus Nationalsozialist und Deutscher Christ, entwickelte sich zunehmend zum Partner und Protektor Wilhelm Sieberts. Beiden gelang es, die seit 1937 entstandene Gruppe der Nationalkirchlichen Bewegung zu marginalisieren. Sie arbeiteten beide seit dem 4. Mai 1945 zielgerichtet an der Restauration der Gemeinde und Wilhelm Siebert war von 1957 bis 1964 Nachfolger Otto Lischers als Dekan von Neustadt.

Quellen

Personalakte Wilhelm Siebert, Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz (ZASP) 2 1914.

Prüfungsakte Wilhelm Siebert, ZASP 3 86.

Jahresbericht Battlehner 1930, ZASP 8 178.

Ein letztes Wort zur protestantischen Pfarrwahl, ZASP 11.160 291.

Personalakte Karl Otto Lischer, ZASP 2 997.

Protokoll, 04.05.1945, ZASP 44 Neustadt 603, 245.

Literatur

Thomas Fandel, Konfession und Nationalsozialismus. Evangelische und katholische Pfarrer in der Pfalz 1930–1939. Paderborn u. a. 1997. Das grundlegende Werk für jede weitere Forschung.

Helge Müller, Die Kirchengemeinde Neustadt und ihre Tochtergemeinde Winzingen, in: Christoph Picker u. a. (Hrsg.), Protestanten ohne Protest. Die evangelische Kirche der Pfalz im Nationalsozialismus, Bd. 1. Speyer 2016, 258–265. Die kleine Abhandlung bezieht das presbyteriale Umfeld mit ein.

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