Siegelwachs, Max

Anzeigen, in: Stadt- und Dorfanzeiger, 18. November 1933 und Pfälzischer Kurier, 24. März 1934.

von Miriam Breß

Max Siegelwachs wurde 1892 in Kolomea (Österreich-Ungarn) geboren. 1907 begann er eine kaufmännische Lehre in Mainz und seit 1911 lebte er in Neustadt, wo er 1919 Eugenia Mayer heiratete. Im Ersten Weltkrieg war er österreichischer Soldat. Da seine Geburtsstadt nach dem Krieg polnisch wurde, wurde er polnischer Staatsbürger. Ab dem 10. März 1933 standen regelmäßig SA-Posten vor seinem Möbelgeschäft, die Schaufenster wurden mehrmals eingeschlagen und beschmiert sowie Kunden und Kundinnen fotografiert. Ins (frühe) Konzentrationslager Neustadt kam er am 29. März 1933 mit seinem Schwager, dem Metzger Theodor Mayer, und dem Zigarrenhändler Isidor Wohl, wegen „frechen Wesens“ und „regierungsfeindlichen Benehmens“. Bei der Auflösung des Lagers wurde er in das Amtsgerichtsgefängnis Edenkoben gebracht, aus dem er Ende Mai 1933 entlassen wurde. Im Juni desselben Jahres wurde er in einem „Demonstrationszug“ durch Neustadt geführt. Immer wieder wurde er nächtlich angerufen, mit Dachau bedroht und zur Auswanderung aufgefordert. Seine Mieter nutzten die Situation und sprachen mehrmals bei der Polizei vor, berichteten von einer angeblich zu hohen Miete und forderten die Verhaftung Siegelwachsʼ. Ende 1933 folgte die behördliche Anweisung an Siegelwachs, das Möbelgeschäft zu schließen. Die neuen Besitzer und die örtliche NSDAP versuchten mit allen Mitteln, den Ausverkauf zu verhindern, wodurch die Restbestände billig an den Neubesitzer gingen. Auch das von ihm vermietete Anwesen musste er Ende des Jahres an seine Mieter verkaufen. Zusehends verschwanden in diesem Prozess nicht-jüdische Freunde, Bekannte und Kunden, die Frau Siegelwachs während der ersten Schutzhaft ihres Mannes noch unterstützten. Nach dem Verkauf des Möbelgeschäftes floh die Familie nach Frankreich, wo sie den Genozid an den europäischen Juden überlebte. Nach 1945 kehrte sie nach Neustadt zurück und wurde mit dem noch existierenden Antisemitismus konfrontiert. So beschäftigte sich das Gericht im Rahmen der Wiedergutmachungsprozesse mehr mit den angeblichen „ostjüdischen Geschäftspraktiken“ von Siegelwachs als mit der NS-Vergangenheit seiner Verfolger. Deren Rechtsanwalt bezeichnete ihn im Laufe des Prozesses mehrfach als „wirtschaftlichen Schädling“, nannte seine Verfolgung eine „Erfindung“ und sprach ihn wiederholt mit dem Zwangsnamen „Israel“ an. Siegelwachs starb 1963 in Neustadt.

Quellen

Pfälzischer Kurier, 29.03.1933; Chronik der Stadt Neustadt, 29.03.1933; Landesarchiv Speyer J6 12398, 15401–15402, 15462 und L28 53–58.

Literatur

Michael Wildt, Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919–1939. Hamburg 2007. Der Autor beschäftigt sich ausführlich mit den antisemitischen Boykottmaßnahmen.

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