Sinti und Roma

von Miriam Breß und Markus Raasch

Sinti und Roma ist eine Sammelbezeichnung für die europäische Minderheit der Roma einschließlich ihrer zahlreichen Untergruppen. Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten in Europa und waren bereits vor 1933 Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Mehrheitlich wurden sie mit dem Fremdbegriff „Zigeuner“ bezeichnet, der mit einer Fülle von Ressentiments belegt war und ist. In der NS-Zeit galten die als „Zigeuner“ stigmatisierten Sinti und Roma zugleich als „Berufskriminelle“ und als „rassisch minderwertig“ und damit als „natürliche“ Feinde der Volksgemeinschaft, weshalb sie skrupellos verfolgt wurden. Die Literatur schätzt vage, dass im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich und in den mit dem NS-Regime verbündeten Staaten eine halbe Million Menschen durch den Genozid an den Sinti und Roma (Porajmos) ermordet wurden. Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass zwischen 1933 und 1945 keine Sinti und Roma in Neustadt und den umliegenden Orten lebten. So erstattete der Neustadter Oberbürgermeister 1937 im Rahmen der Erfassung von Sinti und Roma „Fehlanzeige“. Bereits vor der Machtübernahme der NSDAP hatten die örtlichen Behörden mit Hilfe des „bayerischen Gesetzes zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ von 1926 Niederlassungen verhindert und einige Menschen mit Vorgabe von Reiserouten vertrieben. Über die einzige bekannte Person, die im Bezirk Neustadt geboren ist und nachweislich als „Zigeunerin“ verfolgt und ermordet wurde, Johanna Winterstein, liegen wenige Informationen vor. Als Kind von Franz und Anna Winterstein in Kaltenbrunn (bei Neustadt) geboren, war sie spätestens ab 1935 in Niederbayern, wo sie heiratete. Sie wurde nach Auschwitz deportiert und starb dort im März 1944. Vermutlich wurde sie „auf der Reise“ geboren, was auch den Geburtsort (Kaltenbrunner Tal) erklären würde. Der Genozid an den europäischen Sinti und Roma (Porajmos) wurde lange als legitime „kriminalpolizeiliche“ Maßnahme bagatellisiert. In der Folge wurde den Überlebenden eine Entschädigung verwehrt. Erst ab dem Jahr 1982 – nach langen Kämpfen der Betroffenen – begann sich dies substantiell zu ändern.

Quellen

Antwort des Oberbürgermeisters auf Anweisung der Regierung der Pfalz bezüglich Bekämpfung des Zigeunerunwesens, 28.05.1937, Stadtarchiv Neustadt A9190.

Landesarchiv Speyer H32 216.

Pfälzischer Kurier, 01.03.1934.

Literatur

Verband deutscher Sinti (Landesverband Rheinland-Pfalz), Das Verfolgungsschicksal der Pfälzer Sinti. Eine historische Ausstellung vor allem über die Zeit des NS-Regimes. Landau 1987. Knappes, bebildertes Begleitheft zu einer am 7. Mai 1987 im Frank-Loebschen-Haus in Landau eröffneten Ausstellung.

Michail Krausnick, „Man kann verzeihen, aber nicht vergessen“. Der Völkermord an den Sinti und Roma, in: Gerhard Nestler/Hannes Ziegler (Hrsg.), Die Pfalz unterm Hakenkreuz. Eine deutsche Provinz während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft. 2. Aufl. Landau 1997, 357–375. Der wichtigste, weil umfassend angelegte Aufsatz zur Verfolgung der Sinti und Roma im rheinland-pfälzischen Raum.

Silvia Wolf, Überleben – das war für uns nicht vorgesehen! Lebensgeschichten Rheinland-Pfälzischer Sinti-Familien. Landau 2012. Die Monographie gibt einen konzisen Überblick über die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus und stellt auf der Basis von Zeitzeugengesprächen zehn Lebensgeschichten vor.

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