„Sozialismus der Tat“/ „Volkssozialismus“

Berichterstattung über den „Sozialismus der Tat" anlässlich des „Führergeburtstags", in: NSZ Rheinfront, 20. April 1937.

von Tobias Hirschmüller

Dem Gauleiter Josef Bürckel (1895–1944) wurde lange Zeit durch die historische Forschung attestiert, einem linken Flügel der NSDAP angehört zu haben. Grund für diese Annahme waren die als „Sozialismus der Tat“ und „Volkssozialismus“ propagierten sozialpolitischen Maßnahmen, die Bürckel den Beinamen eines „roten Gauleiters“ einbrachten. Dabei schwang immer wieder die irrige Vorstellung mit, dass er zu den menschenverachtenden Seiten der NS-Ideologie eine Distanz besessen habe. Das Schlagwort vom „Sozialismus der Tat“ war seit der Weimarer Republik Ausdruck der Intention, den Nationalsozialismus vom Kommunismus abzugrenzen. Was darunter konkret zu verstehen war, blieb unspezifisch und fokussierte eine Wohlstandssteigerung, die durch wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht werden sollte. Als historisches Beispiel für diesen „Sozialismus der Tat“ diente Friedrich der Große mit insb. seinem Aufbau- und Siedlungswerk nach dem Siebenjährigen Krieg. Bei Bürckel werden für gewöhnlich angeführt: die Rettung als wichtig erachteter Betriebe, die Gründung der „Deutschen Weinstraße“ zur Belebung des Tourismus und die sogenannte „Volkssozialistische Selbsthilfe Rheinpfalz“. Ziel letzterer war die gesetzliche Verpflichtung zu Spenden, mit denen in Form von Krediten Bedürftige unterstützt werden sollten. Neben Widerstand in der Bevölkerung scheiterte dies am bayerischen Staatsministerium der Justiz in München, von dem sich Bürckel eigentlich loslösen wollte. Letztlich bestand der „Volkssozialismus“ des Gauleiters aus einer Reihe unsystematischer Einzelmaßnahmen ohne einen bedeutenden Erfolg.

Quellen

Josef Bürckel, Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik. München 1939.

Helmut Gauweiler (Winterhilfswerk des Deutschen Volkes/Gau Rheinpfalz) (Hrsg.), Das Westmark-Buch. Ehrengabe des Winterhilfswerkes Gau Rheinpfalz 1934/35. Kaiserslautern 1935.

Literatur

Hans-Joachim Heinz, NSDAP und Verwaltung in der Pfalz. Allgemeine innere Verwaltung und kommunale Selbstverwaltung im Spannungsfeld nationalsozialistischer Herrschaftspraxis 1933–1939. Ein Beitrag zur zeitgeschichtlichen Landeskunde. Mainz 1994. Umfangreiche Arbeit zur Politik Bürckels vor dem Hintergrund einer beabsichtigten Abspaltung von Bayern.

Gerhard Nestler, Volkssozialistische Selbsthilfe Rheinpfalz, 1933/34, 29.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, https://www.historisches-lexik...,_1933/34, Aufruf zuletzt am 15.04.2020. Guter Abriss zum Konflikt, den Bürckels Eigenmächtigkeit mit München hervorrief.

Michael Schepua, „Sozialismus der Tat“ für das „Bollwerk im Westen“. Entwicklung und Besonderheiten des Nationalsozialismus in der Pfalz, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 25, 1999, 551–601. Arbeitet heraus, dass die sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen immer einhergingen mit der Ausgrenzung missliebiger Personenkreise.

Dieter Schiffmann, Gauleiter Bürckel – ein Meister der inszenierten „Volksgemeinschaft“?, in: Pia Nordblom u. a. (Hrsg.), Josef Bürckel. Nationalsozialistische Herrschaft und Gefolgschaft in der Pfalz. Kaiserslautern 2019, 153–168. Zeigt an Beispielen, inwiefern die sozialpolitischen Maßnahmen wirksam waren und welche Ambitionen der Gauleiter damit eigentlich verfolgte.

chevron_left chevron_right