Wunder, Gerhard

Gerhard Wunder. Foto: Die Rheinpfalz, 22. Februar 2018; LM.

von Markus Raasch

Dr. jur. Dr. phil. Gerhard Wunder (geb. 1935 in Speyer), kam 1974 nach Neustadt, wo er bei der Bezirksregierung der Pfalz bis 1997 das Referat für soziale Angelegenheiten leitete, das u. a. für den Lastenausgleich und die Flüchtlingslager des Landes zuständig war. Von 1989 bis 1994 fungierte er außerdem als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt. Seit 1997 befindet er sich im Ruhestand. Von 1996 bis 2011 saß er dem Historischen Verein der Pfalz e. V., Bezirksgruppe Neustadt, vor. Als Historiker und Heimatforscher gehört Gerhard Wunder zu den besten Kennern der Neustadter NS-Geschichte. Vor Ort war er einer der ersten, die sich – gegen manche Widerstände – um eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit bemühten. Lange Jahre war das „Dritte Reich“ beschwiegen worden, die Älteren wollten allenfalls über die angeblichen „Heldentaten“ deutscher Soldaten sprechen und nichts von der Verantwortung für deutsche Verbrechen wissen, die nachwachsende Generation traute sich für gewöhnlich nicht nachzufragen. So waren es oft Auswärtige oder Zugezogene, meist jüngeren Alters, die ein besonderes Engagement entwickelten und erste Türen öffneten. Als ein Vorkämpfer trat etwa die örtliche SPD und hier insbesondere Gerhard Wunder auf, der sich in seinen Publikationen zu deren Geschichte fundiert mit der Zeit des Nationalsozialismus in Neustadt beschäftigte und auch über Zeitungsartikel das Wort ergriff. Sein öffentlicher Vortrag über „Neustadt im Nationalsozialismus“ am 23. September 1986 in der örtlichen Volkshochschule setzte eine Wegmarke und fand überaus regen Zuspruch. Maßgeblich war er an Entstehung und wissenschaftlicher Begleitung der Ausstellung „Vor 50 Jahren – Neustadt unter dem Nationalsozialismus“ beteiligt, die vom 9. November 1988 bis 18. März 1989 in den Räumen des Stadtarchivs gezeigt wurde, über 6 000 Besucher anzog und als ein Meilenstein in der lokalen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit gelten kann. Gerhard Wunder hat auch im Folgenden immer wieder Vorträge zum „Dritten Reich“ gehalten, Interviews gegeben und einschlägige Publikationen vorgelegt. Sein „Nachlass“ im Stadtarchiv bietet allen an der Neustadter NS-Zeit Interessierten eine wesentliche Anlaufstelle.

Quellen

Stadtarchiv Neustadt a. d. W., Nachlass Dr. Dr. Wunder. Der Bestand bietet eine wichtige Quellen- und Literatursammlung zur Neustadter NS-Geschichte, ergiebig vor allem zur Phase der „Machtergreifung“, zum frühen Konzentrationslager Neustadt, zu Verfolgtenbiographien, zum Kampf des NS-Regimes gegen die Arbeiterbewegung und die katholische Kirche, zur Shoah, zur Kriegszeit, insbesondere im Hinblick auf die Zwangsarbeiterschaft, sowie zum Umgang mit der NS-Vergangenheit.

Literatur

Klaus-Jürgen Lais/Gerhard Wunder, Hundert Jahre Neustadter SPD. Neustadt a. d. W. 1978. Eines der ersten Bücher zur Neustadter Geschichte, das sich quellenbasiert auch mit der NS-Zeit, vor allem dem Aufstieg der NSDAP, der Machtübergabe, dem Prozess der „Gleichschaltung“ und den frühen Verfolgungen beschäftigt.

Gerhard Wunder, Die Sozialdemokratie in Neustadt an der Weinstraße seit 1832. Neustadt a. d. W. 1985. Die Monographie vertieft die Erkenntnisse des Vorgängerbuches und nimmt auch die heutigen Ortsteile der Stadt Neustadt ins Blickfeld.

Gerhard Wunder, Große Zahl Pfälzer und Neustadter Opfer der Nazis, in: Die Rheinpfalz, 13.12.1986. Zeitungsartikel, der die (Um-)Benennung von Straßennamen in den Fokus rückt.

Gerhard Wunder, Peiniger: Bischt d’noch net bald verreckt?, in: Die Rheinpfalz, 29.09.1988. Zeitungsartikel, der sich dem NS-resistenten und danach oft untersuchten Pfarrer Jakob Martin aus Königsbach widmet.

Gerhard Wunder, Arisierung und Restitution, in: Paul Habermehl/Hilde Schmidt-Häbel (Hrsg.), Vorbei – Nie ist es vorbei. Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt. Neustadt a. d. W. 2005, 303–337. Akribisch recherchierter Aufsatz, der die soziale Praxis der NS-Herrschaft am Beispiel der „Arisierungen“ in Neustadt plastisch vor Augen führt.

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