von Vaios Kalogrias
Gegen Ende 1939 wurden die ersten Zwangsarbeiter aus Polen nach Neustadt gebracht. Ein Jahr später folgten ihnen Zwangsarbeiter aus Frankreich und anderen von der Wehrmacht besetzten westeuropäischen Ländern. Sie wurden sowohl in der Landwirtschaft als auch in städtischen Betrieben und Fabriken eingesetzt. Ein großer Teil waren Kriegsgefangene. Im Jahr 1942 trafen „Ostarbeiter“ (Ukrainer, Russen) aus den besetzten sowjetischen Gebieten ein. Viele von ihnen wurden ebenfalls für eine Tätigkeit in der Landwirtschaft herangezogen. In der nationalsozialistischen Terminologie wurden alle freiwillig angeworbenen oder zwangsrekrutierten ausländischen Arbeiter offiziell als „Fremdarbeiter“ bezeichnet. Unter ihnen befanden sich auch Frauen und Kinder. In Neustadt lebten und arbeiteten die Zwangsarbeiter (Kriegsgefangene, „Zivilarbeiter“ und „Ostarbeiter“) aufgrund der staatlich verordneten „rassischen“ Diskriminierungspolitik und kriegswirtschaftlicher Interessen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die nationalsozialistischen Behörden sorgten von Anfang an für eine strenge Bewachung und Isolierung der ausländischen Zwangsarbeiter von der „arischen“ Mehrheitsbevölkerung, wie die Einrichtung eines „Ostarbeiterlagers“ belegt. Ihr Kontakt zu deutschen Arbeitern und Arbeiterinnen durfte das reine Dienstverhältnis nicht überschreiten. Persönliche und intime Kontakte waren verboten und zogen harte Strafen nach sich (z. B. die Einweisung von Zwangsarbeitern in Konzentrationslager). Die Zwangsarbeiter erfüllten eine wichtige Funktion für die Volksgemeinschaft, ohne zu ihr zu gehören. Ihr Einsatz trug zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Firmen wie die Stahlschalung Luchterhand und die Tuchfabrik J. Oehlert sowie landwirtschaftliche Betriebe konnten durch den Einsatz „fremdvölkischer Elemente“ den dringenden Bedarf an Arbeitskräften abdecken.
Quellen
Pfälzer Anzeiger. Heimatzeitung der Haardt, 13.10.1942, 02.11.1942, 23.12.1942.
Literatur
Hedwig Brüchert/Michael Matheus, (Hrsg.), Zwangsarbeit in Rheinland-Pfalz während des Zweiten Weltkriegs. Stuttgart 2004. Der Sammelband enthält Beiträge zu verschieden Aspekten der Zwangsarbeit in Rheinland-Pfalz. Bei ihren Analysen stützen sich die Autoren und Autorinnen auf unveröffentlichtes Archivmaterial.
Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des „Dritten Reiches“. Neuaufl. Bonn 1999. Dieses Buch ist das Standardwerk zum Thema „Zwangsarbeit“. Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Untersuchung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der „Fremdarbeiter“ im nationalsozialistischen Deutschland.
Landeszentrale für Politische Bildung Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Mainz 2014. Die Beiträge des Bandes geben einen Überblick über die Quellenlage in regionalen Archiven sowie im ehemaligen Internationalen Suchdienst (heute Arolsen Archives) und erörtern weitere Forschungsperspektiven.
Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939–1945. Stuttgart u. a. 2001. Mit diesem Werk liefert der Autor eine Gesamtdarstellung zur Entwicklung der Zwangsarbeit sowohl im „Dritten Reich“ als auch im besetzten Europa. Zudem erhellt es die Nachkriegsdebatten zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter.