Kuchen backen verbinden viele Menschen mit Glücksgefühlen und nicht nur Kinder freuen sich, wenn zu Hause oder bei Freunden gebacken wird. Für jemand anderen backen – das ist doch grundsätzlich etwas Schönes, Herzliches, Gutes, oder nicht? Allerdings: Im Herbst 1941 backte eine Frau in Neustadt an der Weinstraße einen offenbar sehr leckeren Kuchen. Sie verschenkte ihn und sie kam dafür ins Gefängnis. Wie kann das sein? Was steckt dahinter? Wie tickt eine Gesellschaft, in der so etwas möglich ist? Diesen Fragen kannst du in diesem Unterkapitel nachgehen und dich mit Zwangsarbeit im Neustadter Raum zwischen 1939 und 1945 beschäftigen.
Nach Beginn des Krieges wurden immer mehr Männer zum Wehrdienst einberufen und der ohnehin bestehende Arbeitskräftemangel in Landwirtschaft und Industrie verschärfte sich dramatisch. Diesem wollte das NS-Regime mit dem massenhaften Einsatz von ausländischen Arbeitskräften begegnen. So waren über 13 Millionen Ausländer*innen zwischen 1939 und 1945 im Deutschen Reich beschäftigt – die meisten von ihnen zwangsweise. Arbeiten für das Deutsche Reich mussten a. Kriegsgefangene b. Häftlinge unter anderem aus Konzentrationslagern und nicht zuletzt c. sogenannte „Zilvilarbeiter“, die zum größten Teil unter Gewaltanwendung aus ihrer Heimat fortgebracht worden waren. In Neustadt lebten während des Zweiten Weltkrieges über 2 000 ausländische Arbeitskräfte – sie werden im Folgenden im Blickpunkt stehen. Dabei soll in vier Schritten vorgegangen werden. 1. Zunächst wirst du erfahren, auf welchen Wegen die ausländischen Beschäftigten in die Pfalz kamen. 2. Dann gilt das Interesse ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen. 3. Du wirst in Augenschein nehmen, wie die ausländischen Arbeiter*innen mit den äußeren Gegebenheiten umgingen, und 4. schließlich das Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung betrachten.
Info-Box: Deutschland und der Zweite Weltkrieg
Hier findest du nähere Informationen zum Verlauf des Zweiten Weltkrieges aus deutscher Perspektive.
Info-Box: Zwangsarbeit
Hier erfährst du Näheres zu den Begriffen „Zwangsarbeit“ und „Zwangsarbeiter*in“.
M2: Bekanntmachung des Stadtkommissars von Kiew, 31. Mai 1943
M3: Mein Weg nach Deutschland – Die Geschichte von Halina P., nach einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2007
Aufgaben
Info-Box: „Rassenhierarchie“
Hier erfährst du, was Rassenideologie und Zwangsarbeit miteinander zu tun haben.
M4: Pflichten polnischer Zivilarbeiter*innen („Polenerlass“), 8. März 1940
M5: Abzeichen für polnische Zwangsarbeiter*innen und „Ostarbeiter*innen“
M6: Erlass zur Beschäftigung von minderjährigen Pol*innen, 1942
M7: Vorschriften zur Unterbringung der Ostarbeiter*innen, 1942
M8: Der Historiker Vaios Kalogrias schreibt in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2020 über die Entlohnung osteuropäischer Zwangsarbeiter*innen
M9: Rechtliche Vorgaben zur Entlohnung der Ostarbeiter*innen, 1942
M10: Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz zu Geschlechterverhältnissen, 6. Januar 1943
Aufgaben
M11: Die deutsche Regierung beklagt „Arbeitsunlust“, März 1940
M12: Der Historiker Vaios Kalogrias schreibt in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2020 über Verhaltensweisen ausländischer Beschäftigter in Neustadt
M13: Über Halina P. ist in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2007 zu lesen
Aufgaben
M14: Anweisung an die Polizeibehörden zum Umgang mit „Fremdarbeitern“, 1942
M15: Amtliches Merkblatt mit Verhaltensregeln gegenüber polnischen Zwangsarbeitern*innen von 1940
Klicke auf das Merkblatt, um die Transkription zu lesen.
Merkblatt
Wie verhalten wir uns gegenüber den Polen?
Um die Ernährung des deutschen Volkes zu sichern und der deutschen Landwirtschaft die hierfür nötigen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, werden in diesem Jahre eine große Anzahl Polen in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie sollen es den deutschen Bauern erleichtern, den Aushungerungsversuch unserer Feinde zunichte zu machen.
Dafür erwarten wir von allen Volksgenossen auf dem Lande:
Haltet Abstand von den Polen!
Sie gehören einem Volke an, das noch vor wenigen Monaten 58 000 Deutsche ermordet hat.
Werdet nicht zu Verrätern an der deutschen Volksgemeinschaft!
Die Polen gehören nicht zur deutschen Volksgemeinschaft. Wer sie wie Deutsche behandelt oder gar noch besser, der stellt seine eigenen Volksgenossen auf eine Stufe mit Fremdrassigen. Das gleiche gilt auch für den deutschen Gruß. Wenn es nicht zu vermeiden ist, daß sie mit euch unter einem Dach wohnen, dann bringt sie so unter, daß jede engere Berührung mit eurer Familie ausgeschlossen ist.
Laßt Polen nicht mit an eurem Tisch essen!
Sie gehören nicht zur Hofgemeinschaft, noch viel weniger zur Familie. Ihr sollt ihnen zwar genügend zu essen geben, sie sollen aber getrennt von euch essen.
Bei euren Feiern und Festen haben die Polen nichts zu suchen!
Wir wollen in unseren Feiern und Familienfesten unter uns sein. Die Polen sind ein fremdes Volk. Sie werden unter sich ihre eigenen Feiern veranstalten.
Nehmt die Polen nicht in eure Gasthäuser mit!
Sie werden es euch nicht danken. Es wird dafür gesorgt werden, daß bestimmte Gasthäuser an einem Tag der Woche ausschließlich den Polen zur Verfügung stehen.
Gebt den Polen auch sonst keine Vergünstigungen!
Wenn ihr glaubt, durch Geschenke ihre Arbeitsfreudigkeit zu steigern, so irrt ihr euch. Jede weichliche Behandlung schwächt erfahrungsgemäß ihren Willen zur Arbeit.
M17: Zwangsarbeit und Volksgemeinschaft (Zeitstrahl)
M18: Videos aus dem Jahr 2020, „Verbotener Umgang“ im Krieg
Aufgaben