Zwangsarbeit, Alltag

Merkblatt mit Verhaltensregeln gegenüber polnischen Zwangsarbeitern von 1940. Foto: Landesarchiv Speyer, H41 668.

von Helena Knuf

Die Frauen und Männer, die in Neustadt während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit verrichten mussten, stammten u. a. aus Belgien und Frankreich, der Großteil jedoch aus Polen und der Sowjetunion. Aus rassistischen Gründen hatte die Herkunft der Arbeiter großen Einfluss auf ihre Lebenssituation. Sie entschied über die Menge der Verpflegung, die Schwere der Arbeit, die Höhe der Entlohnung und die Bestrafung von Verstößen. Arbeiter aus Nord- und Westeuropa lebten unter besseren Bedingungen als Arbeiter aus Osteuropa. Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion, die als „Ostarbeiter“ bezeichnet wurden, und polnische Arbeiter unterlagen einer Kennzeichnungspflicht und mussten Abzeichen auf ihrer Kleidung tragen. Der Neustadter Bevölkerung war der Kontakt mit den Zwangsarbeitern verboten, da sie kein Teil der Volksgemeinschaft waren. Das Zusammenleben gestaltete sich gleichwohl vielschichtig. Zwangsarbeiter wurden ausgebeutet und misshandelt, aber es kam auch zu freundschaftlichen Kontakten, Hilfeleistungen und Liebesbeziehungen. Diese Vergehen, die oft nur durch Denunziation ruchbar wurden, zogen meist harte Strafen nach sich. Schon für eine Unterhaltung oder das Geben von Brot wurden Haftstrafen ausgesprochen, Intimverhältnisse konnten zu einer mehrjährigen KZ-Haft führen. Betroffene deutsche Frauen wurden bspw. in der Öffentlichkeit gedemütigt, indem man ihnen die Haare schor und sie durch die Stadt jagte. Die Herkunft des Zwangsarbeiters, die Art des Vergehens und die persönliche Situation der Angeklagten hatten entscheidenden Einfluss. Die Zwangsarbeiter mussten grundsätzlich mit härteren Strafen, bis hin zur Todesstrafe, rechnen.

Quellen

Amtsgericht Neustadt, Strafsache, Landesarchiv Speyer (LASp) J28 1123, 1136, 18096, 18140.

Ermittlung der Staatsanwaltschaft am Landgericht Frankenthal und Saarbrücken, LASp J28 1193, 18134.

Einsatzbedingungen für Ostarbeiter, 10.08.1944, LASp T88 34196.

Akten Landgerichtsgefängnis Kaiserslautern, LASp J81 93, 105.

Untersuchungsausschuss wegen Behandlung von Zwangsarbeitern 1948, LASp R18 11687.

Literatur

Mark Spoerer, Die soziale Differenzierung der ausländischen Zivilarbeiter, Kriegsgefangenen und Häftlinge im Deutschen Reich, in: Jörg Echternkamp (Hrsg.), Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9: Die Deutsche Kriegsgesellschaft 1939 bis 1945. München 2005, 485–576. Dieser Beitrag setzt sich mit dem Einfluss der Herkunft der Zwangsarbeiter auf ihre Lebensumstände wie Unterbringung, Ernährung, Arbeitsbedingungen und soziale Beziehungen auseinander.

Hedwig Brüchert/Michael Matheus (Hrsg.), Zwangsarbeit in Rheinland-Pfalz während des Zweiten Weltkriegs. Stuttgart 2004. Der Sammelband bietet durch die Vorstellung von Fallbeispielen einen Einblick in die Ausgestaltung der Zwangsarbeit auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz.

Volkhard Knigge u. a. (Hrsg.), Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg. Begleitband zur Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern. Essen 2012. Der Ausstellungsband setzt sich in kurzen Überblicksartikeln mit der Zwangsarbeit allgemein auseinander, nimmt die Vor- und Nachkriegszeit in den Blick und ist darüber hinaus reich bebildert.

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