Frauen

Woll- und Pelzsammlung 1941. Foto: Stadtarchiv Neustadt, Fotosammlung NS-Zeit.

von Markus Raasch

Frauen sahen sich im „Dritten Reich“ mit einer doppelköpfigen Geschlechterpolitik konfrontiert. Einerseits gab diese sich dezidiert konservativ und hob auf die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter ab. Die Gewährung von Ehestandsdarlehen oder die Verleihung von Mutterkreuzen lieferten dafür konkrete Formen. Andererseits existierten viele „moderne“ Elemente. So wurde das Scheidungsrecht liberalisiert und eine neue Sexualmoral propagiert. Nacktheit war in Medien und Werbung weit verbreitet, Sexualität außerhalb der Ehe kein Tabu. Es sollten möglichst viele Interessen abgedeckt und diese zugleich ausschließlich auf den Fortbestand der Volksgemeinschaft konzentriert werden. Immer ging es um „Erbgesundheit“ und „Rassereinheit“. So betrieb die Frauenorganisation der NSDAP, die NS-Frauenschaft, eine intensive Rassenschulung und es bestanden klare gesetzliche Vorgaben, wen Frauen lieben und heiraten durften. Die Gewährung von Ehestandsdarlehen und die Verleihung von Mutterkreuzen waren an eine amtsärztliche Untersuchung und eine politische Überprüfung gebunden. Negativgutachten wurden gesammelt und bildeten für die Verhängung von Zwangssterilisationen oder die Ermordung im Rahmen der „Euthanasie“-Programme wichtige Grundlagen. Vor diesem Hintergrund bot die Gauhauptstadt Neustadt Frauen einige Karrierechancen. Über Leben und Tod entschieden z. B. Ärztinnen und kommunale Fürsorgerinnen. Besonders einflussreich waren die Gaufrauenschaftsleiterinnen. Immer wieder verhielten sich Frauen anders, als es von ihnen erwartet wurde. Für die politische Opposition, insbesondere der Arbeiterbewegung, spielten sie eine wichtige Rolle. Die meisten Frauen waren jedoch bis zuletzt systemtreu – manche aus Angst, andere aus Opportunismus, nicht wenige aus Pflichtgefühl, viele aus Überzeugung.

Literatur

Klaus Latzel u. a. (Hrsg.), Geschlechterbeziehungen und „Volksgemeinschaft“. Göttingen 2018. Der Band spiegelt den aktuellen Forschungsstand wider, weil er sich nicht allein mit Frauen, sondern mit Geschlechterverhältnissen beschäftigt und danach fragt, welche soziale Dynamiken diese zwischen 1933 und 1945 freisetzten.

Wolfgang Schneider, Frauen unterm Hakenkreuz. Hamburg 2001. Standardwerk, das weibliche Lebenswelten im „Dritten Reich“ konzise fasst und darüber hinaus eine wichtige Quellensammlung darstellt.

Markus Raasch, Die Mehrheit der Volksgemeinschaft. Der NS-Staat und die Frauen, die Frauen und der NS-Staat, in: Ders. (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der Aufsatz beleuchtet am Beispiel Neustadts die Geschlechterpolitik des Nationalsozialismus und die „agency“, die Frauen vor diesem Hintergrund entwickeln konnten. Er zeigt auf, dass Neustadt grundsätzlich als typischer Mikrokosmos erscheint, aber als kleinste Gauhauptstadt des Deutschen Reiches durchaus eine gewisse Eigentümlichkeit besaß.

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