Familie im Kriegsalltag

Familie Münch, 1940. Foto: Fotosammlung Hubert Eckel.

von Yellah Niehaves

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zwang viele Familien dazu, familiäre Rollen neu zu definieren. Wenn der Vater eingezogen worden war, bedeutete das eine enorme Mehrfachbelastung für die Mütter und Kinder, die nun die Versorgung der Familie allein sicherzustellen hatten. Insbesondere die älteren Kinder unterstützten die Mutter oft bei Feldarbeit, Haushalt oder der Betreuung der jüngeren Geschwister. Fiel auch die Mutter krankheitsbedingt aus, mussten die Kinder mitunter den Ausfall beider Elternteile kompensieren. Nicht wenige Kinder gerieten dabei an ihre Belastungsgrenze. Die abwesenden Väter bemühten sich zum Teil intensiv um eine Kontaktpflege zur Familie. Einige schrieben nicht nur ihren Ehefrauen, sondern auch direkt an ihre Kinder oder zeichneten ihnen kleine Skizzen in die Briefe. Heimatbesuche des Vaters hingegen machten manchen Kindern die Entfremdung nur noch deutlicher, während die Eltern das Wiedersehen meist als wichtigen Brückenschlag in das Vorkriegsleben empfanden, aus dem sie Kraft schöpften. Gegen Kriegsende bestimmten Dienstverpflichtungen für alle unter 50-jährigen Frauen, Luftangriffe und Hunger den Alltag der Familien. Dies steigerte zusätzlich die seelische Belastung für Mütter und Kinder. Häufig wird von Zeitzeugen die Aufopferungsbereitschaft der Mütter hervorgehoben, aber auch die Tatsache, dass diese (emotional) oft keine große Stütze mehr sein konnten und die Kinder sich zunehmend selbst überlassen blieben.

Literatur

Margarete Dörr, „Wer die Zeit nicht miterlebt hat…“. Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach, Bd. 2: Kriegsalltag. Frankfurt a. M. u. a. 1998. Dieser Band einer dreibändigen Reihe zum Kriegsalltag im Zweiten Weltkrieg liefert auf gesamtdeutscher Ebene einen umfangreichen Einblick in die Alltagswelt der Mütter und Frauen im Krieg.

Georg Holmsten, Kriegsalltag. 1939–1945 in Deutschland. Düsseldorf 1989. Die Monographie bietet einen guten Einblick in die alltägliche deutsche Lebenswelt während des Zweiten Weltkriegs und greift dabei auf reiches fotodokumentarisches Material zurück.

Kathrin Kiefer, Alltags- und Familienleben im Ausnahmezustand. Das kindliche Erleben von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Auf Basis von Zeitzeugenberichten betrachtet die Autorin die Lebensrealität von Kindern, Jugendlichen und Familien in Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Der Aufsatz ordnet die Erlebnisberichte aus dem Familienalltag ein und zeigt die Spannungsfelder im Kriegsalltag auf.

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