Weintaufe

Zwei Neustadter Küfer vor ihrem Umzugswagen beim „Pfälzischen Weinlesefest“ 1937. Die Fässer tragen die Taufnamen der zurückliegenden Jahre. Foto: Stadtarchiv Neustadt, Fotosammlung, Nachlass A. Gerspach.

von Christof Krieger

Neben der ab 1931 abgehaltenen Wahl der „Pfälzischen (später „Deutschen“) Weinkönigin“ zählte die Namensgebung („Taufe“) des neuen Weinjahrganges von Anfang an zu den besonderen Höhepunkten des seit 1929 bestehenden „Pfälzischen (heute „Deutschen“) Weinlesefestes“. Nachdem ein vom Vereinsvorstand eigens hierzu eingesetzter Ausschuss den Taufnamen aus den nach Hunderten (später Tausenden) zählenden Vorschlägen vorab bestimmt hatte, setzte sich ab 1932 das Prozedere durch, dass von dieser Kommission lediglich fünf (später sechs) Vorschläge ausgesucht wurden, die man dann am Abend selbst den Festteilnehmern per Wahlzettel zur Abstimmung stellte. Hierbei sollten sich vor allem Namensgebungen durchsetzen, in denen sich der zu erwartende Charakter des neuen Weinjahrgangs mit aktuellen tagespolitischen Geschehnissen verband. Auch noch nach dem Machtantritt der NSDAP durfte das Publikum in demokratischer Abstimmung über die endgültige Namensfindung des neuen Weines entscheiden, was im „Dritten Reich“ zwar vordergründig als überholtes Ritual der verhassten „Systemzeit“ anmutete, hier – zumal angesichts der zur Auswahl stehenden Taufnamen – indes durchaus zum willkommenen Medium nationalsozialistischen (Volks-)Gemeinschaftswillens mutierte. So wurde der 1933er zum „Gleichschalter“ bestimmt, während zwei Jahre darauf unter unmittelbarem Bezug auf die kurz zuvor verkündeten berüchtigten „Nürnberger Rassegesetze“ der „Rassenreiner“ aus der Taufe gehoben wurde. 1936 folgten der „Pfälzer Rekrut“ und im Jahr darauf der „Pälzer Bomber“. Der 1938er erhielt angesichts des in der Sudetenkrise noch einmal abgewendeten Krieges den Namen „Friedenstropfen“. 1996 fand die letzte Weintaufe im Rahmen des „Weinlesefestes“ in Neustadt statt. Seit 2017 wird diese „Tradition“ von der „Pfalzweinwerbung“ fortgeführt.

Quellen

Stadt- und Dorfanzeiger, 1929–1933; Pfälzische Bürger-Zeitung, 1929–1933; Pfälzischer Kurier, 1929–1934; NSZ Rheinfront. Ausgabe Ost, 1933–1936; NSZ Rheinfront. Ausgabe Neustadt a. d. W., 1937–1938; Neue Abendzeitung für den Gau Saarpfalz. Ausgabe Haardt, 1935–1936; Pfälzer Anzeiger, 1936–1938.

Literatur

Gerhard Berzel, Deutsches Weinlesefest in Neustadt an der Weinstrasse. Ein Beitrag zu seiner Geschichte. Neustadt a. d. W.1998. [Masch. Manuskript]. Bezeichnenderweise werden in dieser Darstellung die Jahre des „Dritten Reiches“ weitgehend ausgeblendet.

Christof Krieger, Die Taufe des „Rassereinen“ Rebensaftes und die verlorene Unschuld der „Deutschen Weinkönigin“. Das Neustadter Weinlesefest als Kristallisationsort nationalsozialistischer Volksgemeinschaft, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Hierbei handelt es sich um die bislang erste wissenschaftliche Darstellung des Neustadter Weinlesefestes im „Dritten Reich“.

chevron_left chevron_right