Kinderalltag

Kinder spielen in der Gemeinschaft, in: NSZ Rheinfront, 12. April 1938.

von Yellah Niehaves

Mit der Machtübernahme der NSDAP wurde auch der Alltag von Kindern durch die vom Nationalsozialismus beabsichtigte Umgestaltung der Gesellschaft stark beeinflusst. Bereits in Kindergarten und Schule fand häufig in hohem Maße politische Beeinflussung und Instrumentalisierung statt. Besonders stark veränderte sich der Alltag der Kinder durch die ab 1939 verpflichtende Mitgliedschaft in der Hitlerjugend, die die Zeitstruktur der Kinder durch Dienste, Sondereinsätze und Versammlungen bestimmte und Freiräume beschränkte. Dennoch nahmen viele Zeitzeuginnen und Zeitzeugen die Hitlerjugend nicht als Bruch, sondern als willkommene Bereicherung des Alltags wahr. Besonders die sportlichen Aktivitäten wurden geschätzt. Auch das Familienleben sowie die Erziehung im Elternhaus gestalteten sich in gewisser Weise immer politisch. Zwar wuchsen vor allem Kinder aus bürgerlichem Milieu zunächst weiterhin frei von finanziellen oder politischen Sorgen auf, doch auch die Familie stellte keine Insel des Privaten mehr dar. Politische Ereignisse, Maßnahmen und Parolen drangen als Gesprächsthemen in das Familienleben ein und beeinflussten die Kinder – auch wenn nur in wenigen Familien offen über Politisches diskutiert wurde. Nähe oder Distanz der Eltern zum Nationalsozialismus wurden auch in deren Handlungen wahrgenommen und in Folge häufig von den Kindern übernommen. Grundsätzlich bot eine stabile Eltern-Kind-Beziehung oft einen übergeordneten Schutzraum, der auch die Grenzen der Volksgemeinschafts-Utopie aufzeigt.

Literatur

Klaus-Peter Horn, „Immer bleibt deshalb eine Kindheit im Faschismus eine Kindheit“. Erziehung in der frühen Kindheit, in: Ders./Jörg-Werner Link (Hrsg.), Erziehungsverhältnisse im Nationalsozialismus. Totaler Anspruch und Erziehungswirklichkeit. Bad Heilbrunn 2011, 29–56. In diesem Sammelband finden sich einige aufschlussreiche Beiträge zu den jeweiligen Erziehungszielen und -institutionen im Nationalsozialismus, die entsprechend den unterschiedlichen kindlichen Lebensphasen betrachtet werden. Der Aufsatz von Klaus Peter Horn geht dabei speziell auf die frühkindliche Lebenssituation vom Säugling bis zum Vorschulkind ein und nimmt auch die (Un-)Möglichkeit der autonomen Erziehung im NS in den Blick.

Kathrin Kiefer, Alltags- und Familienleben im Ausnahmezustand. Das kindliche Erleben von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Auf Basis von Zeitzeugenberichten betrachtet die Autorin die Lebensrealität von Kindern, Jugendlichen und Familien in Neustadt an der Weinstraße im Nationalsozialismus. Der Aufsatz ordnet die Erlebnisberichte aus dem Familienalltag ein und zeigt die Spannungsfelder im Kriegsalltag auf.

Heide Rosenbaum, „Und trotzdem war’s ne schöne Zeit“. Kinderalltag im Nationalsozialismus. Frankfurt a. M. 2014. Diese Monographie bietet eine ausführliche Betrachtung der Kontinuitäten und Brüche kindlichen Alltags im Nationalsozialismus innerhalb der unterschiedlichen sozialen Milieus.

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