von Markus Raasch
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, sollte die Jugend zeigen, was sie gelernt hatte. Zum Wohle der Volksgemeinschaft hatte sie ihren Dienst an der „Heimatfront“ zu tun. „Haltet Euch bereit, der Führer braucht Euch alle“ – so war in den Zeitungen zu lesen. So wurde z. B. die ohnehin schon weit fortgeschrittene Militarisierung der Jugend weiter vorangetrieben. Während in den Schulen der Wehrsport noch stärker an Bedeutung gewann und regelmäßige Besuche von Frontsoldaten ebenso auf dem Programm standen wie das gemeinschaftliche Betrachten der „Wochenschau“ im Neustadter Palast-Theater, erfuhr der Schießunterricht der Hitlerjugend eine weitere Professionalisierung. So wurden ab Mai 1942 im Gau Westmark drei Wehrertüchtigungslager eingerichtet, in denen als „Vorschule für deutsches Soldatentum“ grundsätzlich jeder 15-jährige Junge in dreiwöchigen Schulungskursen eine intensive Schieß- und Geländeausbildung erhalten konnte. 1943 begann der „Kriegshilfeeinsatz der Jugend bei der Luftwaffe“, der männliche Jugendliche, später auch Mädchen auf ihren Dienst bei der Flakartillerie vorbereitete. So taten allein am Humanistischen Gymnasium im Schuljahr 1942/43 14 Schüler Luftwaffenhelferdienst, ein Jahr später waren es schon 21. Anfang 1945 wurden die Geburtsjahrgänge 1928 und 1929 der HJ dem „Deutschen Volkssturm“ angegliedert, schließlich auch Hitlerjungen und BDM-Mädchen an Frontabschnitten eingesetzt. Mit der forcierten Militarisierung war eine verstärkte ideologische Schulung verbunden. Ihr dienten erweiterte Programme für die Heimabende von HJ und BDM oder Theoriestunden in den Wehrertüchtigungslagern. Überdies hatten Kinder und Jugendliche vor dem Hintergrund eines allgemeinen Arbeitskräfte- und Rohstoffmangels kriegswichtige Sonderdienste zu übernehmen. Sie halfen in der Landwirtschaft oder in Industriebetrieben aus, sie übernahmen Kurier- und Wachtätigkeiten, ferner Hilfsdienste bei der Post, Bahn und in Telefonzentralen, sie waren im Luftschutz oder bei der Feuerwehr tätig, sie betreuten Soldaten und deren Familien, sie waren federführend bei der Sammlung von kriegswichtigem Material, hunderte Neustadter Jugendliche wurden zu teils lebensgefährlichen Schanzarbeiten am „Westwall“ herangezogen. Etliche verweigerten sich, aber ohne den beflissenen Einsatz so vieler Mädchen und Jungen wäre der Krieg kaum so lange zu führen gewesen.
Literatur
Barbara Jahn, „Eine solche Armee besitzt der Feind nicht!“ Die Jugend im Kriegseinsatz 1939–1945, in: Markus Raasch (Hrsg.), Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt an der Weinstraße und der Nationalsozialismus. Münster 2020. Der quellengesättigte Aufsatz gibt für Neustadt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Ausprägungen des jugendlichen Kriegseinsatzes.
Lisa Lüdke/Verena Schmehl, „Haltet Euch bereit, der Führer braucht Euch alle!“ Kriegseinsatz der deutschen Jugend am Beispiel der Stadt Worms 1939–1945, in: Kathrin Kiefer u. a. (Hrsg.), Kinder im Krieg. Rheinland-pfälzische Perspektiven vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Berlin 2018, 161–188. Eine der wenigen systematischen Studien zum Kriegseinsatz der Jugend im Zweiten Weltkrieg, der für Neustadt wichtige Vergleichsperspektiven bietet.