Prozesse zum „Gautag“

von Miriam Breß

Im Oktober 1932 kam es bezüglich der Geschehnisse am Gautag der NSDAP zu einem ersten Prozess gegen zwei Mitglieder des Reichsbanners vor dem Schwurgericht in Frankenthal. Beide Angeklagte wurden mangels Beweisen freigesprochen. Der Prozess wurde dadurch zu einem Fehlschlag der NS-Propaganda. Im März 1933 wurden dann im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen mehrere Männer des Reichsbanners in „Schutzhaft“ genommen. Im Juli folgte der Prozess gegen Karl Adrian, der im Juli 1932 aus Notwehr gegen die in die Wirtschaft eindringende Menge einen Schuss abgegeben hatte. Der Gerichtssaal war voll besetzt mit uniformierten SS- und SA-Männern und auch der Verteidiger des Nebenklägers erschien zunächst in SA-Uniform. Das Schwurgericht setzte sich erstmalig aus Geschworenen zusammen, die aufgrund des Gesetzes über die Neuwahl von Schöffen, Geschworenen und Handelsrichter vom April 1933 gewählt wurden. Einen Verteidiger hatte Adrian nicht – die bekannten Anwälte der Arbeiterbewegung in der Pfalz befanden sich in „Schutzhaft“, waren aus ihrer Heimat geflohen oder bereits aus den Anwaltslisten gestrichen worden. Adrian wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, obwohl weder der Notwehreinwand geprüft wurde noch überhaupt feststand, dass der Schuss Adrians einen der verletzten Nationalsozialisten traf. Insgesamt gelang es der NSDAP langfristig – auch über 1945 hinaus – die Deutungsmacht über die Schüsse vom Gautag zu erlangen. So übernahm z. B. das Schwurgericht Frankenthal im Urteil gegen die SS-Männer, die Hermann Zahm im (frühen) Konzentrationslager Neustadt schwer misshandelt hatten, die Interpretation des angeblichen „Feuerüberfalls aus dem Hinterhalt“ und erklärte damit die Misshandlungen im Lager als teilweise verständlich. Adrian selbst wurde im Wiederaufnahmeverfahren nach 1945 freigesprochen. Eine Wiedergutmachung für die vierjährige Haftzeit wurde ihm erst nach langjährigem Kampf gewährt.

Quellen

Landesarchiv Speyer H75 3, J72 349, J6 8998; C.V.-Zeitung, 15.07.1932, 29.07.1932, 11.11.1932; Pfälzische Freie Presse, 12.07.1932, 02.11.1932; Hauptstaatsarchiv München, MJU 71715; Pfälzischer Kurier, 15.07.1933.

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